Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
Vom Netzwerk:
transportieren, öffnete der Seemann einen Müllcontainer und schüttete ein Bündel tropischer Flüsse hinein, die mit ihrer Fauna, ihrer Vegetation, ihren Bodenschätzen und meteorologischen Eigenheiten und der Tiefe und Charakteristika ihrer Betten zwischen Reis mit Rübenschößlingen und Hustensaftbehältnissen versanken. Der ganze Planet verschwand auf diese Weise, Land für Land und Meridian für Meridian in den Müllbehältern der Stadt, und als sie beim Jardim da Patriarcal angelangt waren, verblieb ihnen nur noch ein rostiges Astrolabium und ein halbes Dutzend Ausschnitte aus der Zeitung Monde & Gezeiten, die der Admiral benutzte, um die Routen seiner Karavellen besser zu bestimmen. Als sie in die Nähe ihres Viertels kamen, sahen sie zwischen einem Zug von Mönchen, die finstere Gesänge und Te Deums anstimmten, in der Ferne den Dichter Gomes Leal mit zerbeultem Zylinder und Kamelie am Cut, von der Dringlichkeit eines Rotweins getrieben, in eine vom Phosphoreszieren eines Fernsehers beleuchtete Taverne gehen. Kutschen von Marquis mit Wappen im Schnitzwerk der Tür überholten sie mit quietschenden Achsen, um, die schlappen Federn ihres Gänsebürzels schüttelnd, beim Teatro da Trindade zu verschwinden. Als er zum zweiten Glockenschlag seinen Pyjama anzog, schwebte Diogo Cão mit langer Unterhose angetan in einer Art wüstenhaften Limbus, dessen Nebenflüsse und Becken noch gefunden
werden mußten und in dem irgendein Infant am Rand irgendeines felsigen Berges stehend das Nichts mit dem Perlmuttfernrohr eines Jockeyclubmitgliedes betrachtete. Er zog die Wasserspülung, um sich der Realität des Wassers zu vergewissern, und kein Wasserfall ergoß sich in das Klosett. Er spähte aus dem Fenster zum Fluß und verstand die Navigationslaternen der Schaluppen und Karavellen nicht, die von einem großen schwarzen, von den Laternen der Brücke durchquerten Raum ersetzt worden waren. Er tastete vor dem Spiegel sein Zahnfleisch ab, das ihm der Skorbut verschlungen hatte, und traf darin auf ein perfektes Gebiß aus Keramik, das seiner Seemannsangst mit freundlichem Lächeln antwortete. Er warf es schließlich in das Glas auf dem Nachttisch, löschte das Licht im Zimmer, lehnte die besorgten Zärtlichkeiten der Frau ab und starrte bis ins Morgengrauen, während er am Bimsstein seiner Kinnladen nagte, auf die Erde, die zu einer trockenen Wüste aus Wellen und Tejonymphen geworden war, aus der sogar der Wind der Meeresschnecken am Ende verschwunden war.

U m denjenigen Afrikarückkehrern eine Unterkunft zu geben, deren Körper noch den Geruch und das Larvenmurmeln der Felder schlafender Baumwolle beibehalten hatten, über die chimärisch die wilden Hunde trotteten, leerte die Regierung ein Krankenhaus für Tuberkulöse, die nunmehr in den öffentlichen Parks müden Blutauswurf spuckten, und lud dort in den Stationen, die Mauern mit Kriegsszenen und frommen Taten besaßen und von der Todesbetäubung der Desinfektionsmittel durchdrungen waren, die Siedler ab, die, ihr Bündel unter dem Arm, in der Nähe der Anstalten in der Hoffnung herumirrten, etwas von den Suppenresten des Abendbrotes zu ergattern.
    Der Mann namens Luís, der sich in der ehemaligen Kapelle eines elenden Refektoriums vom Spinat der Armenspeisung ernährte, erhielt ein kaputtes Bett in einem von Apfelbäumen und Unkraut umgebenen Pavillon, der in der Nähe des Zaunes einer Schule für mongoloide Jungen, kleine Dalai Lamas, lag, die vom Schnee des Himalaja herabgestiegen waren, um in Lixboa mit Novizengeduld das Formen von Knetmassemännchen zu lernen. Die Angestellten, die sie in ein anderes Krankenhaus zu versetzen vergessen hatten, verhielten sich uns gegenüber wie zu den verjagten
Kranken, maßen uns die Morgen- und Nachmittagstemperatur, schoben uns gewaltsam Bettpfannen unter die Bettücher und führten uns nach dem Mittagessen im Bademantel in einem Park mit kahlen Kamelien und Basalttrögen spazieren, aus deren Rissen unordentlich Strähnen von Narzissen wuchsen. Im Sanatorium wurden die Tage langsamer als Schachpartien; die Pflichtsiestas auf den Liegestühlen auf der Veranda, bei denen wir ein Quecksilberröhrchen in den Mund gesteckt bekamen und uns ein Platanenzweig die Füße quälte, glichen wochenlangen Meeresflauten, und ein paar vom Schmerz der Sonnenuntergänge und dem ewigen Herbst der Mimosen angesteckte Mulatten fingen an, in schmachtender Agonie Blut in Emaillebecken zu spucken, was die einander wie ein Wurf Zwillinge gleichenden

Weitere Kostenlose Bücher