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Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Die Rückkehr der Karavellen - Roman

Titel: Die Rückkehr der Karavellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand
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der Zimmer Küchenschaben, da waren unterwürfige, vor Magerkeit nicht mehr existierende Mulattinnen, zig Abendkleider mit zornigen Pailletten hingen mit dickem Faden
geflickt an den Türknäufen der Balkons. Eine orientalische Dame in Pantoffeln und mit Punkt auf der Stirn betreute diese reglose Herde von Heimatlosen und Huren, die unter afrikanischen Fiebern und eitrigen Geschwüren im Dunkeln zitterten wie Kaffeesträucher, und während sie darauf wartete, daß der Seefahrer im ehemaligen Ballsaal im zweiten Stock seine Marinepretiosen zusammenraffte, wanderte sie an den Seraphimtäfelungen der Anrichte entlang, erschnupperte tropischen Sprühregen und tropische Zecken und die Straßen roter Dembeameisen, die im Dunkeln das Süßholz der Träume verschlangen.
    Die ersten schmerzhaften Zeiten, die der Revolution in Lixboa gefolgt waren, tauchten wieder mit dem Donner der Kanonen ihrer unterschiedlichen Kriege vor ihr auf, die verängstigten Menschenmengen am Flughafen und am Kai, die Nächte in den Bars ohne Kunden, in denen sich eine einzige Cancantänzerin im Rhythmus einer ersterbenden Platte zur alten Frau an der Garderobe wiegte, die den Künstlerinnen Geld auf Zinsen lieh und sich, die Brille auf der Nasenspitze, auf ein kompliziertes rundes Stück Strickwerk konzentrierte. Der Hafen glich einem Antiquitätenladen, in dem ganze Familien, von der Gier der Schauerleute bewacht, in Erwartung der nächsten Fregatte zwischen Waschständerarabesken hockten. Ihre verblaßte Erinnerung an das Mutterland, die aus einer Reihe von Eukalyptusbäumen und Musikpavillons bestand, in denen ununterbrochen die Pikkoloflöten der sonntäglichen Drehorgelmusik spielten, sollte in kurzer Zeit durch Hunderte von Kleiderschränken, geborstenen Töpfen, Emaillewaschtischen und Herz-Jesu-Reliefs eines resignierten Jahrmarkts von Atombombenopfern
ersetzt werden. Als sie Diogo Cão in den Vierteln von Loanda suchte, spähte sie mit dem Schmerz in die verlassenen Wohnungen, mit dem die Arbeiter der Eisenbahngesellschaften, die Hacke in der Hand, Zugunglücke betrachten. Eine Aussätzigenbrise rollte Müll und Papierstücke durch die Gassen der Stadt, ertrank in den Swimmingpools ohne Wasser, in der einsames Licht über die Mosaiken kroch. Schwarze in kubanischen Uniformen kämpften mit Maschinengewehren um das Fort von São Paulo. Und die Dichte der Dunkelheit, die die Palmen an der Bucht erstickte, verbarg die Stadtviertel ohne Strom, die nur die Augen der Geckos durchbohrten, und begrub eine Ebene voller Kisten unter dem Heulen der Hunde.
    Als der Admiral mühsam einen Handwagen mit Zeichnungen von erdachten Archipelen und detaillierten Beschreibungen von mondenen Foren in die Eingangshalle der Pension Apóstolo das Índias schiebend zurückkam, erlebte die Frau gerade den Aufbruch der Mulattinnen in die Diskotheken von Arroios, deren Leuchtreklamen ihre orangenfarbene Sahne auf dem Bürgersteig ausschütteten. Sie sah sie von der Folter der engen Röcke gequält das Ödland hinuntergehen wie als Jahrmarktsakrobaten verkleidete reuige Sünderinnen, die sich vor dem Bauch von Senhor Francisco Xavier fürchteten, der ihnen auf dem Stuhl galoppierend von oben Ansporn und Befehle zubellte. Die eilig mit Schulterpolstern und Sicherheitsnadeln zurechtgemachten Kleider, die aufs Geratewohl auf die Wangen gemalten Pinselstriche und wie die Tasten von Klavieren gelben, abgebrochenen Fingernägel ließen sie ein Darmgrummeln der Sehnsucht nach den erfindungsreichen, kompetenten französischen
Puffmüttern ausstoßen, die sie am Anfang des Jahrhunderts in die subtilen Tricks und harten Mysterien des Berufs eingeführt hatten, strenge, absolut unnachgiebige Fünfzigjährige mit falschen Wimpern, die, auf Ledersofas wie Primadonnen hingegossen, beim Klang von Trichtergrammophonen die Fallen des Gewerbes lehrten und die Schülerinnen zwangen, Liebe langsam und parfümiert nachzuahmen, indem sie stöhnend eine Schneiderpuppe liebkosten. Die Frau, die damals fünfzehn Jahre alt war und eine Zahnklammer sowie einen kindlichen Gang besaß, dünn und haarlos war wie eine streunende Katze, lernte es, mit dem einfachen Streicheln mit der Spitze des kleinen Fingers Lust zu bereiten und deprimierte Sechzigjährige zu trösten, indem sie ihnen mit leidenschaftlicher Beichtstuhlintensität zuhörte, während sie sie aus dem Stoff des Hosenstalles wie Mandarinen aus der Schale schälte.
    Und daher taten ihnen die Männer leid, die gezwungen waren, sich mit der

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