Die Rückkehr Des Bösen
Maggie klar, schlüpften die Larven schnell. Sie wusste, dass Schmeißfliegen Blut auf drei Meilen Entfernung wittern. Sie mussten also binnen Stunden nach Eintritt des Todes eingetroffen sein. Sie selbst knabberten an den Leichen kaum herum, vielmehr waren sie darauf aus, ihre Eier in den dunklen, feuchten Körperöffnungen abzulegen und das, was einmal ein warmes, lebendes, atmendes menschliches Wesen war, als Brutstätte zu benutzen.
Die Maden schlüpften nach ein, zwei Tagen und machten sich sofort daran, den Körper bis auf die blanken Knochen zu verschlingen. Bei der Aufklärung eines Falles in Connecticut hatte Professor Adam Bonzado ihr einmal erklärt, es bedürfe lediglich dreier Fliegen, um genügend Eier zu legen und Maden zu produzieren, die eine Leiche dann restlos vertilgen. Schon erstaunlich, musste Maggie zugeben, wie wirkungsvoll und organisiert die Natur manches Getier ausstattete.
Ja, Detective Racine hatte Recht. Diesmal hatten sie Glück. Es war noch ausreichend Gewebe für eine DNA-Analyse vorhanden. Und was noch entscheidender war: Möglicherweise stießen sie sogar auf aussagekräftige Merkmale, im Fleisch verborgene Hämatome oder Verletzungen, die möglicherweise Aufschluss darüber geben konnten, wie die Frau umgekommen war.
Was sie allerdings als Glück ansah, war natürlich Pech für die Spurensicherung. Denn selbstverständlich konnte man die Maden nicht einfach von dem Schädel waschen oder kurzerhand ausräuchern, denn dadurch würden möglicherweise Spuren oder Indizien vernichtet werden.
Maggie sah sich um und hielt Ausschau nach Fuß- oder sonstigen Spuren.
„Was meinen Sie, wie ist sie wohl hierher gekommen?“ fragte sie, bewusst darauf bedacht, dem Opfer so etwas wie eine Persönlichkeit zu lassen, anstatt wie Stan den Fund als Gegenstand zu betrachten, den man einfach in einen Sack steckte. Gleichzeitig wusste sie allerdings auch, dass das nicht allein Pietät war, sondern vielmehr auch eine Art Schutzmechanismus.
Der junge Kollege von der Spurensicherung indes schien eher von Stans Bauart zu sein. „Runtergeworfen wurde das Ding jedenfalls nicht. Weder von der Brücke, noch von der Böschung. Ich kann keine Aufschlagstelle oder andere Spuren im Schlamm erkennen, die darauf hindeuten würden. Sieht aus, als hätte er’s einfach hier abgelegt.“
„Demnach hätte sich der Mörder also bewusst für diesen Ort entschieden?“ Maggie ließ ihren Blick zurück über die Böschung schweifen, sah aber auch da nur ihre eigenen Spuren.
„Soweit ich das beurteilen kann.“ Der Mann stand auf und dehnte die Beine, dankbar für die Abwechslung. „Gibt ‘n paar Fußstapfen. Davon machen wir Gipsabdrücke.“
„Ach, richtig, die Fußabdrücke!“ schien Racine jetzt erst einzufallen. „Die sollten Sie sich natürlich ansehen.“ Sie stakste vorsichtig ein paar Schritte die Böschung entlang und wies dann mit dem Finger auf die Reste einer im Schlamm erkennbaren Fußspur.
Maggie erhob sich und sah hinüber zu Detective Racine. Die Abdrücke befanden sich etwa drei Meter vom Kopf des Opfers entfernt.
„Woher wollen Sie wissen, dass die vom Täter stammen?“
„Andere haben wir nicht gefunden“, gab der Kriminaltechniker achselzuckend zurück. „Vor zwei Nächten hat’s mächtig geschüttet. Er muss danach hier rumgegeistert sein.“
„Die Spuren kommen aus dem Nichts“, erklärte Racine. „Und sie führen direkt in den Fluss.“
„Ein Boot vielleicht?“ schlug Maggie vor.
„Hier draußen? Und dann unbemerkt? Glaube ich nicht.“
„Sie erwähnten da eben etwas von einem Hinweis.“ Maggie begutachtete die übergroßen Fußspuren. Die Profile waren zwar deutlich zu erkennen, aber ohne jede auffällige Eigenart.
„Richtig“, erwiderte Detective Racine und verschränkte die Arme vor ihrer Brust, als habe sie schon lange auf ihren großen Auftritt gewartet. „Ein anonymer Anruf. Eine Frau, genauer gesagt. Über den Notruf. Keine Ahnung, woher zum Teufel die hiervon wusste. Möglicherweise sogar vom Täter selbst. Vielleicht hat er befürchtet, dass es wieder so lange dauert wie bei den ersten beiden.“
„Oder es lag ihm daran, dass wir die Identität von dieser hier rauskriegen“, wandte Maggie ein.
Detective Racine nickte kurz, ohne mit einer Gegenthese aufzuwarten.
„Was meinen Sie, was hat er mit dem Rest der Leiche angestellt?“ fragte der junge Beamte.
„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“ Racine zuckte die Schultern und stapfte davon.
Weitere Kostenlose Bücher