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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Gott damit erreichen? Vielleicht wollte er ihnen sagen: »Macht euch keine Sorgen, die Zukunft liegt doch glasklar vor euch.« Oder: »Ganz gleich, wie sehr ihr euch anstrengt – ihr werdet immer im Trüben fischen.«
    Die Frage wäre so recht nach Iwans Geschmack gewesen. Er mochte philosophisch angehauchte Gespräche genau wie sie, zusammen konnten sie stundenlang über den Sinn oder Unsinn einer Sache rätseln.
    Iwan … Sie vermisste ihn so sehr, dass es weh tat. Am zehnten März würde sich sein Todestag zum fünften Mal jähren. Falls sie dann selbst noch am Leben war, würde sie sein Grab in Genf aufsuchen und so viele rote Rosen niederlegen, wie sie bekommen konnte.
    Im nächsten Moment huschte eine Sternschnuppe an dem Fenster vorbei.
    Du wartest auf mich, mein Lieber?
    Oh, wie gern würde sie gehen! Lieber heute als morgen.
    Aber ihre Zeit war noch nicht gekommen. Der liebe Gott hatte gewiss seine Gründe dafür, auch wenn sie diese nicht nachvollziehen konnte. Sie war nicht so vermessen, anzunehmen, dass er sie auf dieser Erde noch dringend benötigte. Die Olgaheilanstalt, die Nikolauspflege und all die anderen von ihr ins Leben gerufenen Institutionen standen gut da. In ihrem Testament hatte sie verfügt, dass Wera ihre Posten einnehmen sollte. Wera war eine starke Frau, stärker, als sie es selbst je gewesen war. Ihre Tochter, ihr ganzer Stolz. Sie würde zurechtkommen. Und was ihre Töchter anging, war Wera wie eine Löwin. Um Olga und Elsa brauchte man sich daher auch keine Sorgen zu machen.
    Lieber Gott, für alles ist gesorgt, das musst du doch einsehen. Habe ich dir nicht ein Leben lang treu gedient? Ich verspreche dir, es bis zum letzten Tag nicht anders zu halten. Aber warum, lieber Gott, lässt du mich nicht gehen?
    Zu meinen Lieben Adini, Maman, Sascha …
    Zu meiner Liebe …
    Zu Iwan.
    *
    Es war kurz nach zwei Uhr, als sich Wera leicht beschwipst aus ihrem Abendkleid schälte. Nachdem die Kinder im Bett und die anderen gegangen waren, hatten Evelyn und sie noch eine Flasche Champagner geöffnet und sich am Kaminfeuer verplaudert. Keine schlechte Art, das neue Jahr zu beginnen!
    Eigentlich ging die Abendtoilette rasch vonstatten, dafür brauchte sie keine Hilfe. Ich sollte meiner Kammerfrau öfter einmal den Abend freigeben, dachte sie, während sie liebevoll über die rosenfarbene Seide strich, die mit kleinen silbernen Steinen sternenförmig bestickt war. Ein schönes Kleid, bestimmt würde sich im neuen Jahr wieder einmal ein Anlass finden, es zu tragen. Sie wollte Olly überreden, wieder mehr Hofbälle zu veranstalten. »Zum Zwecke des Sammelns von wohltätigen Spenden« – das würde bestimmt Ollys Zustimmung finden. In Wahrheit hatte sie jedoch einfach unbändige Lust, sich wieder einmal wie früher unzählige Perlenketten um den Hals zu schlingen und dann die Nacht durchzutanzen. Viele Gedanken um eine aufwendige Ballfrisur würde sie sich nicht mehr machen müssen, sie würde einfach oberhalb der Ohren ein paar verzierte Spangen in die Haare stecken und das war’s.
    Im Februar fand außerdem der Ball des Ulanenregiments statt, auch dafür war das Kleid geeignet.
    Der Soldatenball … Wera schmunzelte vor sich hin. Beim letzten Mal hatte sie so ausdauernd mit dem Kommandierenden General getanzt, dass ihr noch Tage später die Füße weh taten! Ausgerechnet da war sie mit Lutz von Basten zu einer ausgiebigen Wanderung verabredet gewesen.
    »Werdie Nacht durchtanzen kann und mir dabei gerade einmal zwei läppische Tänze schenkt, kommt auch ohne meine Hilfe einen Berg hinauf«, hatte er unerbittlich geantwortet, als sie es wagte, ein wenig zu jammern. Der Schalk hatte dabei so sehr in seinen Augen geblitzt, dass Wera ihn wütend mit kleinen Steinchen bewarf.
    Lutz von Basten … Ein guter Freund.
    Eigentlich müsste sie sich einmal an einem Gedicht über wahre Freundschaft versuchen.
    »Frohes neues Jahr!« Wera warf ihrem Spiegelbild eine Kusshand zu. Noch immer machte die Kurzhaarfrisur sie überglücklich. Endlich kein stundenlanges Ziepen mehr beim Auskämmen ihrer Krause! Sie fühlte sich so viel freier.
    Eugen hätte ihre neue Frisur nicht gefallen. Er wollte sie immer damenhaft und elegant sehen.
    Aber ihr geliebter Mann war tot. Sie würde nicht den Versuch unternehmen, eine solche Liebe noch einmal zu erfahren. Die großen Gefühle? Die hatte sie hinter sich.
    Nun war sie allein verantwortlich für ihr Leben. Sie allein entschied, welchen Weg sie ging. Und in welchem

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