Die Saat
wieder schön, nach Hause zu kommen ... «
2050:41 [Heftiger Lärm. Schrilles Getöse. Statisches Rauschen.]
ENDE DER FUNKVERBINDUNG
Landung
JFK International: Kontrollturm
Die Schüssel nannten sie es. Monochrom grün leuchtend JFK wartete seit mehr als zwei Jahren auf neue Farbbildschirme -, wie eine Schale Erbsensuppe, gefüllt mit Buchstabengruppen, die an kodierte blinkende Punkte angeheftet waren. Jeder Punkt stand für Hunderte von Menschenleben oder im alten Schifffahrtsjargon, der bis heute im Flugverkehr Bestand hat -
Seelen.
Hunderte von Seelen.
Vielleicht war das der Grund, weshalb die anderen Fluglotsen Jimmy Mendes »Jimmy the Bishop« nannten. Jimmy war der einzige Fluglotse, der die gesamte Schicht lieber im Stehen statt im Sitzen verbrachte, dabei in einer Hand einen Bleistift schwang und ständig auf und ab ging, während er aus dem betriebsamen Raum der Flugsicherung im Tower, knapp hundert Meter über dem JFK International Airport, Verkehrsflugzeuge nach New York lotste wie ein Schäfer seine Herde. Er benutzte den rosafarbenen Radiergummi des Bleistifts, um sich die ihm anvertrauten Flugzeuge vorzustellen, ihre relativen Positionen zueinander, anstatt sich allein auf den zweidimensionalen Radarschirm zu verlassen.
Wo Hunderte von Seelen jede Sekunde piepten.
»United 6-4-2, rechts halten auf Kurs I-O-O, auf fünftausend steigen. «
Aber so durfte man nicht denken, wenn man an der Schüssel war. Man durfte nicht bei all diesen Seelen verweilen, deren Schicksal in seinen Händen lag: Menschenleben verpackt in geflügelte Raketen, die meilenweit über der Erde dahinschossen. Man durfte sich kein Bild vom großen Ganzen machen: All die Flugzeuge auf der Schüssel, all die anderen Fluglotsen, die um einen herum kodierte Anweisungen in ihr Headset murmelten, all die Flugzeuge auf
deren
Schüsseln, dann der Tower des benachbarten LaGuardia ... und all die anderen Tower in jeder Stadt der USA ... und überall auf der ganzen Welt ...
Calvin Buss, Bereichsleiter der Flugsicherung und Jimmy the Bishops unmittelbarer Vorgesetzter, sah ihm über die Schulter. Er war früh aus der Pause zurück und kaute noch irgendetwas. »Wie steht's mit Regis 7-5-3?«
»Regis 7-5-3 ist zu Hause.« Zur Sicherheit warf Jimmy nochmal einen kurzen Blick auf seine Schüssel. »Rollt gerade ans Gate.« Er scrollte auf seinem Bildschirm mit den Gate-Anweisungen nach oben und suchte Flug 7-5-3. »Warum?«
»Die Rollkontrolle teilt mit, dass sie eine Maschine auf dem Radar haben, die bewegungslos auf Foxtrot steht.«
»Auf dem Taxiway?« Jimmy kontrollierte erneut seine Schüssel, vergewisserte sich, dass es seinen Schützlingen ohne Ausnahme gutging, und öffnete dann noch einmal die Funkverbindung zu DL753. »Regis 7-5-3, hier JFK Tower, over.«
Nichts.
Er versuchte es wieder. »Regis 7-5-3, hier JFK Tower, bitte antworten, over.«
Er wartete. Nichts. Nicht einmal das leiseste Knacken des Funkgeräts.
»Regis 7-5-3, hier JFK Tower, hören Sie mich, over?« Ein Tower-Lotse erschien hinter Calvin Buss. »Ein Kommunikationsproblem? «, schlug er vor.
»Wohl eher ein kompletter Systemausfall«, erwiderte der Bereichsleiter. »Irgendwer hat gesagt, die Maschine sei vollkommen dunkel.«
»Dunkel?«, wiederholte Jimmy. Falls die Bordelektronik nur Minuten nach der Landung abgeschmiert war, waren sie haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschlittert. Er nahm sich vor, auf dem Heimweg kurz anzuhalten und für die Lotterieziehung morgen auf die Zahlen 753 zu setzen.
Calvin verband sein Headset mit Jimmys Audio-Buchse. »Regis 7-5-3, hier JFK Tower, bitte antworten. Regis 7-5-3, hier ist der Tower, over.« Warten. Lauschen.
Nichts.
Jimmy warf einen Blick auf die Leuchtmarkierungen auf seiner Schüssel - keine Kollisionswarnungen, seine Maschinen waren alle im grünen Bereich. »Wir ordnen besser eine Umlenkung um Foxtrot an«, sagte er.
Calvin stöpselte sich aus und trat einen Schritt zurück.
Gedankenverloren starrte er über Jimmys Konsole hinweg durch die Fenster des Towers in die ungefähre Richtung des Rollfeldes. In seinem Blick lagen gleichermaßen Verwirrung und Besorgnis. »Wir müssen Foxtrot freibekommen. « Er drehte sich zu dem Tower-Lotsen um. »Schick jemanden los, der sich das mal aus der Nähe ansieht.«
Jimmy the Bishop hielt sich den Bauch und wünschte, er könnte sich irgendwie die Übelkeit wegmassieren, die in seinem Inneren tobte. Seine Aufgabe war im Grunde genommen die
Weitere Kostenlose Bücher