Das Amulett von Gan (German Edition)
Kapitel 1
Das geheimnisvolle Amulett
Die Angst schnürte ihm die Kehle zu. Ganz alleine stand er in diesem dunklen Wald. Riesige Bäume umgaben ihn, nur der Mond schimmerte silbrig zwischen den Zweigen. Wohin sollte er jetzt gehen? Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, wie er hierhergekommen war. Da, schon wieder: dieses krächzende Geräusch. Nichts wie weg hier, dachte er. Aber was war das? Seine Füße wollten sich einfach nicht bewegen. Keinen müden Zentimeter. Verzweifelt versuchte er davonzukommen. Über ihm bewegte sich etwas. Er schaute nach oben und da sah er es: Mit weit ausgebreiteten, ledrigen Flügeln stürzte es mit rot glühenden Augen auf ihn herab …
Finn schreckte auf. Schweiß stand auf seiner Stirn, sein Atem stockte. Es war nur ein Traum. Wie ätzend! Jetzt sogar schon tagsüber. Noch nie hatte er so fest bei einer Autofahrt geschlafen, dass er einen dieser grässlichen Albträume hatte. Seit einigen Wochen verfolgte ihn nun dieser Traum, immer dieselbe Szene: Allein in diesem seltsamen Wald und dann dieses schwarze, fliegende Etwas. Schrecklich! Finn atmete tief durch und setzte sich wieder aufrecht hin. Seine Eltern, die vor ihm saßen, schienen nichts bemerkt zu haben. Sie waren in ein Gespräch über einen Kinofilm versunken, den sie sich am Abend vorher miteinander angeschaut hatten.
Langsam beruhigte sich sein Pulsschlag wieder und Finn schaute versonnen auf die Straße. Endlich: Das lang ersehnte Schild! Ungeduldig rutschte er auf dem Rücksitz in die Mitte und schob seinen Kopf zwischen die Schultern seiner Eltern: »Nur noch 20 Kilometer bis Husum!«
»Mmh«, brummte sein Vater nur und schaute ernst auf die Straße. Wie immer, wenn sie zu Finns Großeltern an die Nordsee fuhren, hatte sein Vater schlechte Laune. Seine Mutter legte beschwichtigend ihre Hand auf seinen Arm.
Finn sagte lieber nichts. Er freute sich riesig auf die Zeit bei den Großeltern. Er verstand nicht, warum sein Vater immer so ungern zu ihnen fuhr. Aus irgendeinem Grund mussten sich sein Vater und der Großvater schon vor vielen Jahren zerstritten haben. Wie es dazu gekommen war, hatte Finn nie erfahren. Einmal hatte er seinen Vater direkt darauf angesprochen, eine wirkliche Antwort aber nicht bekommen. »Weißt du, Finn«, hatte sein Vater gemeint, »das ist eine ganz alte Geschichte. Ehrlich gesagt möchte ich darüber nicht sprechen.« Damit war das Gespräch beendet. Finn traute sich nicht mehr, das Thema anzuschneiden. Auf keinen Fall wollte er den Ärger seines Vaters über den Großvater steigern, schließlich hatte er in seiner Wut schon öfter damit gedroht, nicht mehr dorthin zu fahren, also schwieg Finn lieber.
Seine Mutter ließ sich von der schlechten Stimmung ihres Mannes nicht beirren: »Ach Bernd, freu dich doch einfach auf die schöne Natur, das Meer und den blauen Himmel, auf die Wanderungen, die wir dort machen können!«
Ein etwas freundlicheres Grunzgeräusch war die Antwort. Es wurde still im Auto. Alle hingen ihren Gedanken nach.
Zweimal im Jahr machte sich Familie Petersen auf den Weg Richtung Norden – und es war jedes Mal eine richtig coole Zeit. Zumindest für Finn und seine Mutter Sabine. Finn Petersen war ein zwölfjähriger Junge mit blonden lockigen Haaren, grünen Augen und schmaler Figur. Er freute sich riesig auf seine Großeltern. Vor allem sein Großvater dachte sich immer tolle Aktionen aus. Sie unternahmen Wanderungen im Watt oder gingen miteinander segeln. Langweilig wurde es jedenfalls nie mit ihm. Manchmal erzählte der Großvater auch eine seiner spannenden Seefahrergeschichten. Mittlerweile war es Finn zwar etwas peinlich,diesen Kindergeschichten so begeistert zu lauschen, aber sie waren einfach zu gut. Richtig spannend und voller Abenteuer und Gefahren! Viel interessanter als der ganze Kram, mit dem er sich in der Schule herumschlagen musste. Richtig dröge fand er es dort, zumal er in seiner Klasse keinen einzigen wirklichen Freund hatte. Ständig machten alle Witze über seinen norddeutschen Akzent und ärgerten ihn, weil er noch recht klein für sein Alter war. Finns Mutter versuchte stets, ihn zu beruhigen. Die anderen wären neidisch wegen seiner guten Noten und ärgerten ihn deshalb. Aber das half ihm auch nicht weiter. Er wünschte sich richtig gute Freunde – solche, mit denen man Pferde stehlen konnte, wie sein Großvater immer sagte.
Die Landschaft wurde immer vertrauter. Von Weitem sah Finn schon die gelbe Fahne mit dem blauen
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