Die Säulen der Schöpfung - 13
dessen Ungeduld zusehends wuchs. »Und wieso auf einmal ausgerechnet jetzt?«
Schwester Perdita starrte ihn einen Moment lang an, ein Bild verhaltenen Ärgers, wie sie es sich, vermutete Jennsen, unmittelbar gegenüber Jagang niemals erlaubt hätte, auch wenn der von ihm gegen ihren Rat befohlene Angriff auf den Palast der Konfessoren den Tod zahlloser Schwestern des Lichts zur Folge gehabt hatte.
Schwester Perdita gab sich betont besorgt, als sie hinauf zur düsteren, sich klar gegen den Berghang abhebenden Burg zeigte. »In der Burg der Zauberer gibt es mindestens eintausend Räume«, sagte sie mit leiser Stimme. »Und eine ganze Reihe von ihnen ist vermutlich bis unter die Decke mit äußerst üblen Dingen voll gestopft. Nachdem wir sie während des Winters hierher getrieben hatten, hatte der Zauberer auf ihrer Seite – dieser Zauberer Zorander – vermutlich alle Zeit der Welt, um die gesamte Burg nach den noch fehlenden Dingen zu durchforsten, um auf uns vorbereitet zu sein, wenn wir im Frühjahr gegen Aydindril vorrücken. Ich wage nicht mir vorzustellen, welche katastrophalen Überraschungen er noch für uns in petto hat.«
Sebastians Blick wurde ebenso finster wie der Jagangs. »Und wieso habt Ihr uns nicht davor gewarnt? Mir ist nie zu Ohren gekommen, daß Ihr über diese Dinge gesprochen hättet.«
»Habe ich aber. Ihr wart nur nicht da.«
»Ihr habt auch von vielen anderen Dingen abgeraten, die wir unbeschadet überstanden haben«, knurrte Jagang sie an. »Im Krieg muß man etwas riskieren und damit rechnen, gewisse Verluste hinzunehmen. Nur wer wagt, gewinnt.«
Sebastian gestikulierte hinauf zur Burg. »Womit müssen wir außerdem noch rechnen?«
»Konstruierte Banne sind nur eines der Risiken im Kampf gegen solche Gegner. Weil sie so selten vorkommen, hat keine von uns Schwestern sie als sonderlich ernste Gefahr betrachtet, aber wie Ihr jetzt seht, kann bereits ein Einziger von ihnen überaus gefährlich sein. Es existiert eine ganze Welt voller Gefahren, von denen wir uns nicht einmal ansatzweise eine Vorstellung machen können. Allein das winterliche Klima hier hat Tausende unserer Soldaten das Leben gekostet, ohne daß der Feind auch nur einen Finger krumm machen oder einen einzigen Mann riskieren mußte. Das allein hat uns mehr geschadet als nahezu jede Schlacht oder jedes durch Magie hervorgerufene Unglück. Haben wir diese Verluste durch etwas so Simples wie Schnee und Frost überhaupt einkalkuliert? Hat uns unsere Stärke oder Größe etwa davor bewahrt? Bedeuten diese vielen Toten etwa einen geringeren Verlust, weil sie an Fieber statt an einer ausgefallenen Anwendung der Magie gestorben sind? Welchen Unterschied macht das für die Toten – oder für die, die übrig geblieben sind, um weiterzukämpfen?
Zugegeben, ein aufgrund von Erkrankung seines Feindes zustande gekommener Sieg mag einem Soldaten weder sonderlich ruhmreich noch heldenhaft erscheinen, aber tot ist tot. Zahlenmäßig ist unsere Armee um ein Vielfaches überlegen, und doch haben wir diese Hunderttausende von Soldaten allein aufgrund eines durch die Witterungsbedingungen hervorgerufenen Fiebers verloren – und nicht etwa durch Magie, vor der wir Euch – Eure größte Sorge – beschützen sollen.«
»Aber in einem richtigen Kampf«, spottete Sebastian, »wird unsere zahlenmäßige Überlegenheit dann zum Tragen kommen, und am Ende werden wir den Sieg erringen.«
»Erzählt das denen, die am Fieber gestorben sind. Zahlenmäßige Überlegenheit ist nicht immer eine Garantie für den Sieg.«
»Was für ein abstruser Gedanke«, feuerte Sebastian zurück.
Schwester Perdita wies auf die Reihen der Gefallenen. »Sagt das den Toten.«
»Wenn wir gewinnen wollen, müssen wir Risiken eingehen«, erklärte Jagang, und damit war die Sache entschieden. »Was ich wissen will, ist Folgendes: Müssen wir damit rechnen, daß der Feind uns noch weitere dieser konstruierten Banne entgegenschleudern wird?«
Schwester Perdita schüttelte achselzuckend den Kopf, so als wollte sie sagen, das wisse sie nicht. »Ich bezweifle, daß Zauberer Zoranders Kenntnisse über die dort aufbewahrten konstruierten Banne sehr tiefgreifend sind. Die Beherrschung dieser Magie ist weitgehend in Vergessenheit geraten.«
»Einen dieser Banne hat er jedenfalls noch ziemlich gut beherrscht«, warf Sebastian ein.
»Und das könnte durchaus der Einzige gewesen sein, den er gut genug beherrscht, um ihn überhaupt einzusetzen. Wie schon gesagt, konstruierte
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