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Die Schatzinsel (Original)

Die Schatzinsel (Original)

Titel: Die Schatzinsel (Original) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Sandfleck innerhalb der Einzäunung glühte von der Mittagssonne. Infolgedessen bekam ich einen anderen Gedanken in den Kopf, und damit hatte ich durchaus nicht so recht. Ich begann nämlich den Doktor zu beneiden, der im kühlen Schatten des Waldes unter dem Gesang der Vögel und in dem würzigen Harzduft der Fichten spazieren ginge, während ich hier in der Hitze geröstet würde. Und meine Kleider blieben an dem heißen Harz hängen, und rings um mich herum war so viel Blut, und so viele arme Leichen lagen überall herum, daß ich einen Ekel vor dem Platz bekam.
    Während ich das Blockhaus aufwusch und dann die Eßgeräte reinigte, wurden dieser Ekel und dieser Neidimmer stärker in mir. Da ich gerade bei einem Sack mit Zwiebäcken stand und niemand auf mich achtete, so tat ich den ersten Schritt zu meiner Flucht und füllte beide Taschen meiner Jacke mit Zwieback.
    Meinetwegen mag man sagen, daß ich ein Narr war, und ganz gewiß stand ich im Begriff, eine törichte und mehr als tollkühne Handlung zu begehen; aber ich war entschlossen, dabei alle Vorsicht anzuwenden, die mir zu Gebote stände. Sollte mir irgend etwas zustoßen, so würden diese Zwiebäcke mich zum mindesten bis zum nächsten Abend vor Hunger bewahren.
    Sodann nahm ich mir ein paar Pistolen, und da ich bereits ein Pulverhorn und Kugeln hatte, so fühlte ich mich mit Waffen wohl versehen.
    Der Plan, den ich in meinem Kopfe hatte, war an und für sich nicht schlecht. Ich wollte nach der sandigen Landzunge hinuntergehen, die den Ankerplatz nach Osten gegen die offene See abschließt, wollte den weißen Felsen aufsuchen, den ich am Abend vorher bemerkt hatte, und mich vergewissern, ob Ben Gunn an dieser Stelle sein Boot versteckt hatte oder nicht. Das war wohl der Mühe wert, wie ich auch jetzt noch glaube.
    Da ich aber sicher war, daß man mir nicht erlauben würde, das Pfahlwerk zu verlassen, so bestand mein Plan zunächst nur darin, mich auf französisch zu empfehlen und hinauszuschlüpfen, wenn niemand auf mich achtgäbe; und das war so unrecht von mir, daß meine ganze Handlungsweise dadurch schlecht wurde. Aber ich war nur ein Knabe und hatte es mir nun einmal in den Kopf gesetzt.
    Nun, es fügte sich so, daß ich eine wundervolle Gelegenheit fand. Der Squire und Gray waren damit beschäftigt, den Kapitän zu verbinden. Die Küste war klar – ich kletterte über die Pfähle und sprang in den dichtesten Wald hinein, und bevor meine Abwesenheit bemerkt wurde, befand ich mich außer Rufweite meiner Kameraden.
    Dies war meine zweite Torheit, und die war viel schlimmer als die erste; denn es blieben nur zwei gesunde Menschen zur Bewachung des Hauses zurück; aber wie die erste Dummheit, als ich mit den Meuterern an Land gefahren war, half auch diese zweite dazu, uns alle zu retten.
    Ich lief stracks nach der Ostküste der Insel; denn ich hatte mich entschlossen, auf der Seeseite der Landzunge am Strande entlang zu gehen, um jede Möglichkeit zu vermeiden, daß ich vom Ankerplatz her bemerkt werden könnte.
    Es war schon spät am Nachmittag, aber immer noch warm und sonnig. Während ich durch den Hochwald ging, konnte ich in der Ferne vor mir nicht nur das unausgesetzte Donnern der Brandung hören, sondern ein gewisses Rauschen und Rascheln der Zweige zeigte an, daß die Seebrise stärker als gewöhnlich rauschte.
    Bald verspürte ich einen kalten Luftzug, und ein paar Schritte weiter hin kam ich an den offenen Rand des Waldes und sah die See blau und in der Sonne glänzend vor mir liegen, und die Brandung schleuderte ihren Schaum über den Strand.
    Ich habe rund um die ganze Schatzinsel herumniemals die See ganz ruhig gesehen. Die Sonne konnte am Himmel glühen, die Luft ganz regungslos sein, die Oberfläche des Meeres glatt und blau – und trotzdem rollten diese großen Wogen unaufhörlich an der ganzen Küste entlang, und ich glaube, es gibt auf der ganzen Insel kaum eine Stelle, wo einer das Tosen der Brandung nicht hören könnte.
    Ich ging frohen Mutes an der Brandung entlang, bis ich glaubte, weit genug nach Süden gekommen zu sein, da ging ich in ein dichtes Gebüsch in Deckung und kroch vorsichtig bis zur Höhe der Landzunge hinauf.
    Hinter mir lag die offene See, vor mir der Ankergrund. Die Seebrise hatte bereits aufgehört, wie wenn sie durch ihre außergewöhnliche Heftigkeit sich um so schneller ausgeblasen hätte; ihr war ein leichter, veränderlicher Wind von Süden und Südosten her gefolgt, der große Nebelschwaden vor sich her

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