Die Schöne mit dem Flammenhaar
Königsfamilie von Quaram? Dein Gehalt musst du wahrscheinlich schon auf ein Konto in einer fernen Steueroase überweisen.“
„Du machst wohl Witze“, gab Elinor schnell zurück. „Außerdem ist das Geld alles andere als leicht verdient. Ich muss hart dafür arbeiten und unzählige Überstunden leisten.“
„Ach was! Du betreust doch nur ein kleines Mädchen, und das ist meist im Kindergarten.“ Louise drückte Elinor ein volles Cocktailglas in die Hand. „Trink aus. Schließlich musst du zur Feier deines einundzwanzigsten Geburtstags in Stimmung sein.“
Elinor trank das viel zu süße Gemisch, obwohl es ihr nicht schmeckte. Sie wollte sich mit der temperamentvollen Louise nicht anlegen, die in jedem Alkoholverweigerer eine persönliche Herausforderung sah.
Sie hatten sich bei der Erzieherinnenausbildung kennengelernt und waren seitdem Freundinnen geblieben. Dennoch klang immer ein wenig durch, dass Louise erst nach Monaten eine annehmbare Anstellung gefunden hatte und sie Elinor um ihr Glück beneidete.
„Wieso so viele Überstunden?“, fragte Louise.
„Der Prinz und seine Frau fliegen oft ins Ausland oder verbringen die Wochenenden in London. Deshalb muss ich oft tagelang und rund um die Uhr bei Zahrah in Woodrow Court bleiben. Freizeit habe ich dann so gut wie gar nicht. Manchmal komme ich mir eher wie ihre Mutter vor“, räumte Elinor ironisch ein. „Und bei allen Unternehmungen muss ich natürlich dabei sein … sogar bei Schulfeiern.“
„Bei dem vielen Geld, das du verdienst, musst du eben ein paar Nachteile in Kauf nehmen“, bemerkte Louise trocken.
„Man kann nicht alles haben.“ Elinor zuckte die Schultern. „Außerdem stammen die übrigen Angestellten alle aus Quaram und sprechen nur Arabisch. Da komme ich mir häufig ziemlich einsam vor. Können wir gehen? Der Wagen wartet.“
Prinz Murad hatte von Elinors Geburtstag erfahren und ihr Gratisgutscheine für einen exklusiven Londoner Nachtklub geschenkt. Obendrein sollte sie ein Chauffeur in einer Luxuslimousine nach London fahren und am Ende des Abends zum Herrenhaus zurückbringen.
„Einundzwanzig wird man nur einmal im Leben“, hatte Zahrahs Vater wohlwollend gemeint. „Genießen Sie Ihre Jugend aus vollen Zügen – sie vergeht viel zu schnell. An meinem einundzwanzigsten Geburtstag hat mein Vater mich zur Falkenjagd in die Wüste mitgenommen. Und dabei hat er mir eingetrichtert, was ich nie vergessen dürfte, wenn ich an seiner Stelle König werde.“ Murad hatte ein Gesicht geschnitten. „Damals ahnte ich nicht, dass ich noch dreißig Jahren später auf die Thronbesteigung warten würde. Aber natürlich würde ich es nicht anders wollen. Mein Vater ist ein weiser Herrscher. Jeder hätte es schwer, in seine Fußstapfen zu treten.“
Prinz Murad ist ein gütiger Mann, dachte Elinor bei sich. Sie bewunderte seinen ausgeprägten Familiensinn, seine Wertvorstellungen von Liebe, Vertrauen und Loyalität. Elinor war erst zehn gewesen, als ihre Mutter gestorben war. Sie hatte den Verlust nie verwunden. Ihr Vater hatte ihr kaum Werte vermittelt. Wäre er doch bloß ein wenig wie der warmherzige, freundliche Prinz Murad!
Während Louise beim Anblick der Luxuslimousine in Begeisterungsstürme ausbrach, musste Elinor an ihren Vater denken.
Er hatte sich nie wirklich für sie interessiert. Sosehr sie sich in ihrer Ausbildung auch angestrengt hatte, ihr Abschluss war ihm nicht gut genug gewesen. In seinen Augen hatte sie zu wenig erreicht. Er hatte ihr sogar vorgeworfen, eine schwere Enttäuschung für ihn zu sein. Als sie ihm eröffnet hatte, dass sie als Kindermädchen arbeiten wollte, hatte er aufgebracht reagiert. Er hatte erklärt, dass sie damit nicht mehr als eine bessere Dienerin wäre.
Die lieblosen Kinderjahre hatten Elinor geprägt. Oft hatte sie das Gefühl gehabt, gar keine Familie zu haben. Später hatte ihr Vater wieder geheiratet – ohne sie zur Hochzeit einzuladen.
„In einer Zeitschrift habe ich einen Artikel über Prinz Murad gelesen“, bemerkte Louise. „Darin wurde erwähnt, dass er eine Schwäche für schöne Frauen und viele Affären gehabt habe. Also sei lieber auf der Hut bei dem alten Knaben.“
Elinor überlegte nur kurz. „Ich kenne ihn ganz anders. Mir gegenüber gibt er sich eher väterlich …“
„Sei nicht so naiv. Fast alle älteren Männer sind scharf auf hübsche junge Mädchen.“ Louise lächelte wissend. „Und wenn du ihn an deine Mutter erinnerst …“
„Das ist ziemlich
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