Die Schöne mit dem Flammenhaar
unwahrscheinlich“, unterbrach Elinor sie abweisend. „Mum war klein und blond und hatte blaue Augen. Ich sehe ihr überhaupt nicht ähnlich.“
Louise zuckte die Schultern. „Wie du meinst. Aber wenn du ihn nicht an deine Mutter erinnerst … warum hat er dann ausgerechnet dir, einer völlig Fremden, die Stelle als Kindermädchen angeboten?“
„So einfach war es auch wieder nicht“, wehrte Elinor ab. „Der Prinz hat meinen Namen zwar oben auf die Liste gesetzt. Doch ich wurde ebenso kritisch unter die Lupe genommen wie alle anderen Bewerberinnen. Er hat mir erzählt, dass er mir weiterhelfen will, weil meine Mutter ihm einst viel bedeutet hat. Außerdem fand er, ich würde altersmäßig gut zu seiner Tochter passen. Ich hatte Glück, die Stelle zu bekommen, das gebe ich zu. Aber dabei ist alles rechtens zugegangen.“
Louise gab sich jedoch nicht zufrieden. „Würdest du mit ihm schlafen, wenn er sich an dich heranmachen würde?“
„Natürlich nicht! Meine Güte, er ist fast so alt wie mein Vater!“, gab Elinor entrüstet zurück.
„Über Prinz Jasim würdest du bestimmt nicht so denken“, behauptete Louise. „In dem Artikel über Prinz Murad war auch ein Foto von seinem Bruder. Der Mann ist Mr Sex persönlich: eins sechsundachtzig, ledig, Typ Hollywoodstar.“
„So? Jedenfalls habe ich ihn noch nicht kennengelernt.“ Elinor blickte aus dem Fenster auf die hell erleuchteten Straßen Londons. Louises zweideutige Anspielungen nervten sie. Wenn ihr etwas an Prinz Murads Verhalten fragwürdig erschienen wäre, hätte sie den Job bei ihm und seiner Frau mit Sicherheit nicht angenommen. Nach einem unerfreulichen Zwischenfall bei ihrem früheren Arbeitgeber war sie äußerst wachsam, was männliche Annäherungsversuche betraf.
„Schade, dass der zukünftige König klein und dicklich ist und schütteres Haar hat“, seufzte Louise. „Obwohl viele Frauen sich daran kaum stören würden.“
„Mich würde schon der Umstand abschrecken, dass er verheiratet ist“, betonte Elinor.
„Um die Ehe des Thronfolgers scheint es allerdings nicht allzu gut bestellt sein: Nach so vielen Ehejahren haben sie nur ein kleines Mädchen“, beharrte Louise. „Es wundert mich, dass der Mann noch nicht an Scheidung gedacht hat. Schließlich hat er immer noch keinen männlichen Erben.“
„Es gibt ja bereits einen weiteren Anwärter auf den Thron“, gab Elinor zu bedenken, „nämlich den jüngeren Bruder des Prinzen. Er steht in der Thronfolge an zweiter Stelle.“
„Allein das dürfte ihn zu einer heiß begehrten Partie machen.“ Louises Miene nahm einen berechnenden Ausdruck an. „Andererseits lebst du seit drei Monaten bei seinen Verwandten und hast ihn nie getroffen. Da sollte man sich von ihm vielleicht doch nicht allzu viel versprechen.“
Elinor behielt für sich, dass die Liebe zu einem arabischen Prinzen ihrer verstorbenen Mutter Rose kein Glück gebracht hatte. Rose hatte Murad an der Universität kennengelernt. Bei beiden war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Elinor besaß immer noch den Verlobungsring, den ihre Mutter von Murad erhalten hatte.
Doch das Glück des jungen Paares war nicht von Dauer gewesen. Die Königsfamilie hatte Murad gedroht, ihn zu enterben und ins Exil zu verbannen – keinesfalls hatte der Prinz eine Ausländerin heiraten dürfen. Als folgsamer Sohn war er schließlich nach Quaram zurückgekehrt. Rose hatte Ernest Tempest geheiratet, obwohl die beiden grundverschieden gewesen waren. Ihre Ehe war nicht sehr glücklich gewesen.
„Und du begleitest deine Leute nicht mal ins Ausland“, erinnerte Louise sie nun. „Mit meiner Familie war ich immerhin zehn Tage auf Zypern.“
„Reisen ist mir nicht so wichtig“, wehrte Elinor ab. Die ständigen Spitzen ihrer Freundin nervten sie. Allmählich fragte sie sich, warum sie an dieser Freundschaft überhaupt festhielt.
Nachdem sie wenig später in dem exklusiven Klub ihre Gutscheine vorgelegt hatten, wurden sie mit kostenlosen Getränken ihrer Wahl verwöhnt. Das war auch gut so: Die unerhörten Preise an der Bar hätten sie sich nicht leisten können.
Heute ist mein Geburtstag sagte Elinor sich im Stillen. Inständig versuchte sie, die Enttäuschung abzuschütteln, die sie die ganze Woche über erfüllt hatte.
Durch die Arbeit als Kindermädchen fühlte sie sich oft einsam und sehnte sich nach der Gesellschaft Erwachsener. Da sollte sie es genießen, endlich einmal einen Abend lang unbeschwert ausgehen zu können. Zwar
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