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Die schönsten Erzählungen

Die schönsten Erzählungen

Titel: Die schönsten Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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unterschreiben, Fräulein Berta.«
    Sie schrak ein wenig zusammen und nickte.
    »Also gut, hoffentlich denken wir auch daran«, sagte Thusnelde.
    »Ja, ich will dich dann erinnern.«
    Da war man schon am Bahnhof. Der Zug sollte erst in einer Viertelstunde kommen. Paul empfand diese Viertelstunde wie eine unschätzbare Gnadenfrist. Aber es ging ihm sonderbar; seit man den Wagen verlassen hatte und vor der Station auf und ab spazierte, fiel ihm kein Witz und kein Wort mehr ein. Er war plötzlich bedrückt und klein, sah oft auf die Uhr und horchte, ob der kommende Zug schon zu hören sei. Erst im letzten Augenblick zog er seine Rose hervor und drückte sie noch an der Wagentreppe dem Fräulein in die Hand. Sie nickte ihm fröhlich zu und stieg ein. Dann fuhr der Zug ab, und alles war aus.
    Vor der Heimfahrt mit dem Papa graute ihm, und als dieser schon eingestiegen war, zog er den Fuß wieder vom Tritt zurück und meinte: »Ich hätte eigentlich Lust, zu Fuß heimzugehen.« »Schlechtes Gewissen, Paulchen?«
    »O nein, Papa, ich kann ja auch mitkommen.«
    Aber Herr Abderegg winkte lachend ab und fuhr allein davon. »Er soll’s nur ausfressen«, knurrte er unterwegs vor sich hin, »umbringen wird’s ihn nicht.« Und er dachte, seit Jahren zum erstenmal, an sein erstes Liebesabenteuer und war verwundert, wie genau er alles noch wußte. Nun war also schon die Reihe an seinem Kleinen! Aber es gefiel ihm, daß der Kleine die Rose gestohlen hatte. Er hatte sie wohl gesehen.
    Zu Hause blieb er einen Augenblick vor dem Bücherschrank im Wohnzimmer stehen. Er nahm den Werther heraus und steckte ihn in die Tasche, zog ihn aber gleich darauf wieder heraus, blätterte ein wenig darin herum, begann ein Lied zu pfeifen und stellte das Büchlein an seinen Ort zurück.
    Mittlerweile lief Paul auf der warmen Landstraße heimwärts und war bemüht, sich das Bild der schönen Thusnelde immer wieder vorzustellen. Erst als er heiß und erschlafft die Parkhecke erreicht hatte, öffnete er die Augen und besann sich, was er nun treiben solle. Da zog ihn die plötzlich aufblitzende Erinnerung unwiderstehlich zur Trauerweide hin. Er suchte den Baum mit heftig wallendem Verlangen auf, schlüpfte durch die tiefhängenden Zweige und setzte sich auf dieselbe Stelle der Bank, wo er gestern neben Thusnelde gesessen war und wo sie ihre Hand auf seine gelegt hatte. Er schloß die Augen, ließ die Hand auf dem Holze liegen und fühlte noch einmal den ganzen Sturm, der gestern ihn gepackt und berauscht und gepeinigt hatte. Flammen wogten um ihn, und Meere rauschten, und heiße Ströme zitterten sausend auf purpurnen Flügeln vorüber.
    Paul saß noch nicht lange auf seinem Platz, so klangen Schritte, und jemand trat herzu. Er blickte verwirrt auf, aus hundert Träumen gerissen und sah den Herrn Homburger vor sich stehen.
    »Ah, Sie sind da, Paul? Schon lange?«
    »Nein, ich war ja mit an der Bahn. Ich kam zu Fuß zurück.« »Und nun sitzen Sie hier und sind melancholisch.«
    »Ich bin nicht melancholisch.«
    »Also nicht. Ich habe Sie zwar schon munterer gesehen.«
    Paul antwortete nicht.
    »Sie haben sich ja sehr um die Damen bemüht.«
    »Finden Sie?«
    »Besonders um die eine. Ich hätte eher gedacht, Sie würden dem jüngeren Fräulein den Vorzug geben.«
    »Dem Backfisch? Hm.«
    »Ganz richtig, dem Backfisch.«
    Da sah Paul, daß der Kandidat ein fatales Grinsen aufgesetzt hatte, und ohne noch ein Wort zu sagen, kehrte er sich um und lief davon, mitten über die Wiese.
    Mittags bei Tisch ging es sehr ruhig zu.
    »Wir scheinen ja alle ein wenig müde zu sein«, lächelte Herr Abderegg. »Auch du, Paul. Und Sie Herr Homburger? Aber es war eine angenehme Abwechslung, nicht?«
    »Gewiß, Herr Abderegg.«
    »Sie haben sich mit dem Fräulein gut unterhalten? Sie soll ja riesig belesen sein.«
    »Darüber müßte Paul unterrichtet sein. Ich hatte leider nur für Augenblicke das Vergnügen.«
    »Was sagst du dazu, Paul?«
    »Ich? Von wem sprecht ihr denn?«
    »Von Fräulein Thusnelde, wenn du nichts dagegen hast. Du scheinst einigermaßen zerstreut zu sein –«
    »Ach, was wird der Junge sich viel um die Damen gekümmert haben«, fiel die Tante ein.
    Es wurde schon wieder heiß. Der Vorplatz strahlte Hitze aus, und auf der Straße waren die letzten Regenpfützen vertrocknet. Auf ihrer sonnigen Wiese stand die alte Blutbuche, von warmem Licht umflossen, und auf einem ihrer starken Äste saß der junge Paul Abderegg, an den Stamm gelehnt und ganz von

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