Die schoensten Weihnachtsgeschichten
gekränkt. »Den jungen Mann kenn ick jar nich! Nie jesehn!«
Und auch als ich auf Wunsch des Kriminalbeamtennoch einmal die ganze blamable Geschichte erzählt hatte, blieb er bei seinem »Nischt«.
Das zweitemal blieb ich dem Unterricht fern im August, um der Verhandlung gegen Nasentröpfchen beizuwohnen. Ich habe dieser Verhandlung von der ersten bis zur letzten Minute gelauscht, soweit dies meine Zeugeneigenschaft zuließ, und ich habe dabei erfahren, welch häßlicher Wolf im Schafspelz dieser Alte war.
Das einzige Mal, daß Nasentröpfchen etwas tat und sagte, was meine Zustimmung fand, war, als der Richter ihn am Schluß der Verhandlung fragte, was er etwa zur Entlastung vorzubringen habe.
»Nischt!« antwortete Nasentröpfchen.
WEIHNACHTSFRIEDE
Über all diesen Erlebnissen war das Weihnachtsfest recht nahe gerückt. Es hatte sogar schon zweimal geschneit, wenn sich der Schnee auch nicht gehalten hatte. Karla und ich sprachen oft von diesem kommenden Weihnachtsfest. Uns graute bei dem Gedanken, es im Palasthotel feiern zu sollen.
Ich wagte eine Andeutung bei Justizrat Steppe. Er verstand mich aber falsch, also stimmte er mir zu. Ja, es sei eine Plage mit diesen Festen, vor Neujahr komme das Steueramt bestimmt nicht wieder richtig in Gang, unsere Sache würde sich nun wegen dieses Festes als »Rest« ins neue Jahr hinüberschleppen.
Karla klärte ihn über unsere wirkliche Meinung auf. Der Justizrat war sehr überrascht. Die Hutapschen Junggesellenweihnachten im großen Speisesaal seien weithin berühmt; er werde es bestimmt auch für uns Verheiratete reizend machen.
Ich sagte dem Justizrat energisch, daß wir ganz und gar nicht im Hutapschen Saal unter lauter Junggesellen zu feiern wünschten, nicht einmal solo in unserem Salon.
Der Justizrat gab zu, dies Weihnachtsfest sei zweifelsohneein Problem. Nicht nur meine eigenen Angestellten, sondern auch die Angestellten des Hotels würden Geschenke von mir erwarten. Am richtigsten sei zweifelsohne bei allen Geld. Er werde Herrn Matz, meinen Privatsekretär, beauftragen, eine Vorschlagsliste aufzustellen. Über die Höhe der einzelnen Summen könnten wir ja dann noch reden …
Ein wenig hitzig erwiderte ich, daß uns im Augenblick das Weihnachtsfest der anderen völlig schnurz sei. Es ginge uns um das eigene Weihnachtsfest!
Der Justizrat seufzte. Nun wohl, diese Schenkerei sei ja leider Mode. Er würde also den Kanossagang zu Obersteuerrat Neumann gehen und Freigabe unseres Bankguthabens beantragen bis zur Höhe von – ob uns dreitausend Mark für Privatgeschenke genügen würden?
Noch hitziger versicherte ich, daß mir dreitausend Mark piepe seien! Daß wir nicht bei Hutap feiern wollten! Daß wir für uns feiern wollten, irgendwo, in aller Gemütlichkeit, nicht als bestaunte Millionäre, sondern ganz privat. »Allein, Herr Justizrat! Unseretwegen mit zwanzig Mark! Aber ganz allein! Ohne Kiesow! Ohne Matz! Ohne Hotelier Hutap! Ohne Ober Fridolin!«
(In Gedanken: Ohne Sie, Justizrat!)
Der Justizrat lächelte. Natürlich, natürlich, er verstand schon … Aber wo in aller Welt wir denn feiern wollten, wenn nicht hier? Etwa auf dem Gut? In Gaugarten waren sie, soviel er unterrichtet sei, beim Ausbessern der Zentralheizung. Gaugarten sei unmöglich! Aber er verstehe schon, ja, doch, er verstehe vollkommen,er werde durch seinen Bürovorsteher Fiete allen im Hotel einen Wink geben, daß wir an diesem Abend ganz für uns sein wollten …
Es war nichts zu machen, um keinen Preis wollte er die Zügel, an denen er uns hielt, lockerlassen. Wir blieben zurück, geschlagen. Aber nicht besiegt. Wir waren entschlossen, diesmal wider den Stachel zu löcken. Wir wurden lebendiger. Wir planten, einfach auszureißen, und nicht nur für den Weihnachtsabend, nein, gleich für drei, vier Tage! Schließlich waren wir freie Menschen, auch als Millionäre mußten wir tun und lassen können, was wir wollten …
Wenn am Weihnachtsabend das Zimmermädchen unsere Betten abdeckte, würde sie einen Brief darin finden: Abgereist! Aufenthalt unbekannt!! Rückkunft irgendwann!!!
Wir kauften uns eine Wanderkarte, und wenn wir jetzt abends allein waren, suchten wir auf der Karte Orte aus, die uns abgelegen genug schienen. Schließlich entschlossen wir uns für ein Dorf mit Namen Langleide. Der Name klang vielleicht nicht sehr ermutigend, aber wir waren ja nicht abergläubisch. Jedenfalls lag Langleide acht Kilometer von der nächsten Bahnstation (Kleinbahn) entfernt, mitten im
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