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Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Titel: Die schoensten Weihnachtsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Walde.
    »Und wenn es dann noch geschneit hat. Kerlchen.«
    »Herrlich, Maxe! Ich sehe uns schon durch den verschneiten Wald laufen! Die Mücke wird jubeln!«
    »Wir werden uns abwechseln müssen. Jeder trägt einmal den Handkoffer, einmal die Mücke. Acht Kilometer durch Schnee sind für sie zu weit.«
    »Das macht mir keine Sorge. Nur, wenn wir dann am ersten Feiertage losgehen nach –«
    Jawohl, wir hatten Langleide noch aus einem zweiten Grunde gewählt, wir hatten noch einen anderen Grund, uns auf unsere Flucht zu freuen. Aber ich darf nicht alles vorher verraten …
    Als Justizrat Steppe mit der Nachricht zu uns kam, das Steueramt habe die Freigabe auch nur eines Bruchteils von unserem Bankguthaben abgelehnt, betrübte uns das gar nicht.
    Der Justizrat war der juristisch fundierten Ansicht, die Herren wünschten uns auszuhungern. Sie hatten uns ein Ultimatum gestellt, das wir bis zum 31. Dezember annehmen sollten: zwei Drittel der Bankguthaben, also etwa vierhunderttausend Mark als Anzahlung auf die Erbschaftssteuer, der Rest als Hypothek einzutragen, abzahlbar in fünfzehn Jahren …
    Ich fand diesen Vorschlag ganz annehmbar und sagte dies dem Justizrat auch. Aber der Justizrat lächelte Hohn.
    »Wir lassen uns nicht aushungern! Nur Geduld, meine jungen Freunde! Die Herren sollen sehen, daß wir nicht nachgeben. Herr Matz wird Ihren Angestellten sagen, daß die Weihnachtsgratifikation erst nach der Erbregulierung gezahlt werden. Und was Ihre eigenen Weihnachtsgeschenke angeht …«
    Er dachte nach, er kämpfte mit sich. Dann: »Sagen Sie mir die Geschäfte, in denen Sie zu kaufen beabsichtigen. Fiete wird Ihnen Muster schicken lassen, wir werden Ihre Geschenke auf laufende Rechnung entnehmen.«
    Wir sagten dem Justizrat, daß wir uns wegen der eigenen Geschenke noch nicht entschlossen hätten. Wir logen ihn glatt an, mit eherner Stirne. Wir hatten, heimlich wie die Indianer auf dem Kriegspfade, einen Besuch bei jener kleinen Bank gemacht, auf der Mücke ein Sparbuch hatte. Wir hatten dreihundert Mark abgehoben, hundert für Geschenke, zweihundert für »unser Fest«.
    Aber wie immer, fingen mit dem Geld, das wir doch nie hatten, die Schwierigkeiten an. Wie sollten wir die Geschenke kaufen? Wie sie ins Hotel schmuggeln, dort verbergen, wieder herausbringen? Wie in aller Welt sollten wir überhaupt unsere Sachen herausbringen? Wir hatten keinen Menschen, dem wir uns anvertrauen konnten!
    Es hatte so einfach geklungen: Wir reißen aus! Wie aber dem Fräulein Kiesow, der Bonne, die Mücke entführen? Wie mit ihr aus dem Hotel herauskommen?
    Tausend Schwierigkeiten, und je genauer man es überlegte, um so unmöglicher erschien alles. Wir bekamen keinen rechten Schwung in die Vorbereitungen. Außerdem hatten wir je länger je mehr das Gefühl, daß Steppe und Matz uns beargwöhnten. Dies Gefühl war völlig unbegründet, wie sich nachher herausstellte. Aber, wenn auch unbegründet, lähmte es uns jetzt doch.
    Dann aber trat ein Ereignis ein, das unseren Entschluß stahlhart machte.
    Zu meinen wenigen Tagespflichten gehörte das Durchsehen der Matzschen Post. Diese Post nun war eigentlich, so imponierend sie auch ihrem Umfang nach aussah, völlig bedeutungslos. Das wirklich Wichtigewurde durch den Justizrat Steppe, das laufend Geschäftliche auf dem Gutsbüro in Gaugarten erledigt. Was mir Herr Matz zur Unterschrift vorlegte, waren fast nur Antworten auf Darlehnsgesuche, Bewerbungen, Erfindervorschläge – kurz gesagt: auf Bitt-und Bettelbriefe.
    Kein Mensch, der es nicht einmal selbst erlebt hat, kann sich eine Vorstellung davon machen, wieviel Tausende von Briefen dieser Art bei uns eingingen, wie jede Post eine neue Welle der verschiedenartigsten Vorschläge, der erschütterndsten Hilfeschreie zu uns herantrug. Wir merkten es immer am Anschwellen dieser Post, wenn wieder ein anderes Blatt unser Bild oder einen Bericht über die jungen Millionenerben gebracht hatte.
    Der wollte Gummistiefel, Größe vierundvierzig, um eine Arbeit als Grabenräumer anzunehmen, dem fehlten sechzig Mark Miete, sonst würde er mit seiner Familie auf die Straße gesetzt; der hatte, wie mein Vetter Friedrich Karl, in die Kasse gegriffen und verlangte telegrafisch tausend Mark: Bittend, überredend, drohend, frech, kriechend hielten alle Tage alle menschlichen Nöte ihren Einzug bei uns.
    Zuerst waren Karla wie ich völlig niedergedrückt: Wir hatten nie geglaubt, daß es so viel menschliches Elend um uns gäbe. Jeden Tag gingen wir mit

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