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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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    Die heimeligen kleinen Hütten, welche die Torwächter von Nantes darstellten, entschwanden schnell, als ich in das Dickicht der Bäume eintauchte – der schlimmste Teil der Reise nach Machecoul. Aus dem Licht und hinein in die Dunkelheit. Man kann nicht anders, als sich sehr klein zu fühlen inmitten dieser berindeten Riesen, deren knotige, tief hängende Zweige jeden Augenblick wie die Finger des Teufels nach mir greifen und mich in den dunklen Schlund eines Astlochs stopfen konnten, wo ich dahinsiechen würde in der ewigen Pein meiner Sünden.
    So bete ich, wie ich es immer tue, denn sonst bleibt kaum etwas zu tun. Lieber Gott, lass nicht zu, dass sie meine Daumen nehmen, denn ohne Daumen kann ich die Nadel nicht fassen, und ein Leben ohne Sticken ist unvorstellbar.
    Bei jedem Schritt schiebe ich die Hände weiter in die Falten meiner Ärmeltaschen; meine kostbaren Finger verschwinden völlig in der Sicherheit ihrer Tiefen.
    Sie finden den Brief. Die Fingerspitzen ertasten kleine, durchgescheuerte Stellen an den Knicken im Pergament, obwohl er erst kürzliche aus Avignon eintraf. Er kam zusammen mit andern wichtigen Papieren, die von Seiner Heiligkeit an meinen maître gesandt wurden, Jean de Malestroit, der als Bischof von Nantes eingeweiht ist in so viele von Gottes tiefsten Geheimnissen. Obwohl ich seine engste Vertraute bin, würde ich niemals auf den Gedanken kommen, jene gewichtigen Angelegenheiten begreifen zu wollen, die zu erwägen Seine Heiligkeit Seiner Eminenz aufgetragen hat, und in Wahrheit will ich es auch gar nicht. Es drängt mich, alle weltlichen Belange beiseite zu lassen zu Gunsten der köstlichen Gedanken meines Erstgeborenen. Das Datum in der einen Ecke, geschrieben in der liebenswerten, kräftigen Handschrift meines Sohnes, lautet 10. März 1440, sieben Tage zuvor. Ich überfliege seine langatmigen Segenssprüche – schließlich ist er Priester – und sage mir den Rest vor.
    Es gibt ganz ausgezeichnete Neuigkeiten, abrupt und unerwartet. Ich bin jetzt ein richtiger Schreiber Seiner Gnaden; nicht länger muss ich unter einem anderen Bruder arbeiten, sondern unterstehe direkt dem Kardinal selbst. Immer häufiger werde ich in seine Gemächer gerufen, um wichtige Angelegenheiten niederzuschreiben. Wie durch ein Wunder scheint er mich unter seine Fittiche genommen zu haben, auch wenn ich nicht verstehe, warum er mich einer solchen Ehre für würdig erachtet. Es gibt mir die Hoffnung, dass ich eher früher als später mit einer Beförderung gesalbt werde …
    Wie wunderbar, wie kostbar … aber auch wie abgrundtief unbefriedigend, denn viel lieber hätte ich den Mann selbst an meiner Seite. Aber Seine Eminenz Jean de Malestroit verabscheut Klagen, ich werde mich ihnen deshalb nicht hingeben, möge Gott mich davor bewahren, dass er mich wegen einer solchen Schwäche verabscheute. Ich fahre fort in meiner Rezitation, was von den Eichhörnchen und Füchsen, die meine einzigen Zuhörer sind, wohl nicht gewürdigt wird. Doch es schenkt meinen Schritten eine beruhigende Festigkeit, wie trügerisch diese auch sein mag.
    Ich denke jeden Tag an dich und erquicke mich an dem Wissen, dass du in nicht allzu vielen Monaten hier in Avignon sein wirst, um mit eigenen Augen zu sehen, wie reich mein Leben geworden ist. Auf ewig dankbar bin ich Milord de Rais für seinen Einfluss, der mir diese Stellung verschaffte, als ich nichts als ein junger Bruder mit beschränkten Aussichten war …
    Meine eigene Dankbarkeit hat einen Anflug von Bitterkeit. Milord Gilles de Rais’ Wohltätigkeit war dergestalt, dass ich, einst seine Amme, hier in der Bretagne bleiben muss, während mein Sohn, der fast wie sein eigener Bruder ist, viele Tagesritte entfernt in Avignon weilt. Fast scheint es, als verfolgte er einen bestimmten Zweck, als er uns trennte.
    Doch wie könnte das sein?
    In deinem nächsten Brief musst du mir von den Vorgängen in Nantes berichten, Maman; wir hatten jüngst einen Pilger hier, der von Ereignissen im Norden berichtete, von den Leiden dieses Edelmannes und den Triumphen jenes Herrn und der Liebschaft jener Dame; wir sind begierig auf diese Art von Neuigkeiten. Vor allem aber möchte ich wissen, was ein Liedchen, das er vortrug, zu bedeuten hat – die Gesamtheit des Textes ist mir entfallen, doch in Teilen lautet er: »Sur ce, l’on lui avait dit, en se merveillant, qu’on y mangeout les petits enfants.«
    … und was das angeht, so hatte ihm jemand verwundert berichtet, dass sie dort kleine

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