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Die schwarzen Raender der Glut

Die schwarzen Raender der Glut

Titel: Die schwarzen Raender der Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sehr schönes Referat über Julien Green gehalten.«
    Noch ein Treffer. Der Literarische Dienstagskreis steht auf Huberts Hassliste ganz weit oben und kommt gleich nach dem Oberschulamt, der Schulleiterin Bohde-Riss, dem Hausmeister des Droste-Hülshoff-Gymnasiums und allem, was mit der katholischen Kirche zu tun hat.
    »Ein Grund mehr, warum ich da nicht hingeh«, bemerkt Hubert dunkel. »Im Übrigen trag ich keine solchen Shorts. Solche nicht. Das weise ich zurück. Mit Abscheu und Empörung.«
    Birgit setzt das silberhelle Lachen auf. »Aber ganz gewiss tust du das, mein Lieber. Nur ahnst du wahrscheinlich gar nicht, wie du von hinten aussiehst. Ich meine, wenn du diese Höschen anhast. Die Ministranten von dieser Kirche da würden ganz feuchte Augen bekommen.«
    Hubert schweigt. Vor der Theodor-Heuss-Brücke staut sich der Verkehr. Sie würden zwei oder drei Phasen brauchen.

    »Du hast doch heute die 12b?«, fragt er unvermittelt.
    Abweisend sieht Birgit durch die Frontscheibe. »Ja. Leider. Eine blasierte Bande unmotivierter und überernährter Professorenkinder. Gottes Strafe für die 68er.«
    »Bist doch selber eine davon.«
    »Aber ich habe mich nicht fortgepflanzt«, erwidert Birgit nicht ohne Schärfe. »Was interessieren dich eigentlich meine halslosen Ungeheuer? Reichen dir die deinen nicht?«
    »Bettina ist doch in der 12b?«
    Unwillkürlich zieht Birgit die Augenbrauen zusammen. Was heißt hier Bettina? Das Bild eines grünäugigen Mädchens taucht vor ihr auf, mit Grübchen im Babyspeck und einem zu knappen T-Shirt oder einem zu dicken Busen darin. »Und was soll mit dieser Bettina sein?«
    »Sie hat einen recht schönen Alt, brawny, vibrating «, erklärt Hubert. »Ich hab ihr diesen Schmachtfetzen gegeben, den die Zarah Leander im Repertoire gehabt hat.« Er hebt die Stimme und beginnt, tuntig die Windschutzscheibe anzusingen: »Kann denn Liebe Sünde sein  ...«
    »Bitte nicht«, unterbricht ihn Birgit. »Der Morgen ist mir zu früh für so etwas.« Bettina also. Recht schöne Altstimme. Genug Holz vor der Hütte für einen Resonanzboden. Kann denn Liebe Sünde sein. Glauben Sie das? Tiefer grüner Blick in Lehrers Augen. Und dann nach Schulschluss von hinten auf dem Flügel im Musikzimmer, oder wie?
    »Eigentlich sollte ich noch den Hit von dieser neuen kanadischen Band einbauen«, fährt Hubert fort, die Stimme wieder normal. »Die wird Kult, ganz bestimmt wird die das.« Seine Stimme bekommt einen hämmernden Klang:
    »Nothing is like it seems to be . . . Sehr schön gerappt ist das. Und passt doch wie bestellt fürs Droste und für Heidelberg.«
    Vibrating, ja. Die dümmste Kuh war wohl wieder einmal sie selbst. Dass das Droste zum Schuljahresschluss eine Herz-und-Schmerz-Travestie aufführen sollte, im Stil des neuen französischen Kino-Singsangs, ist schließlich ihre Idee gewesen, niemand sonst war darauf gekommen, Hubert schon gar
nicht, von alleine kommt er auf nichts. Höchstens auf diese Bettina drauf. Verhüten sie wenigstens?
    »Bettinen hab ich übrigens zwei in der Klasse.« Ihre Stimme klingt heiser. Sie schluckt. Nur keine Wirkung zeigen. »Aber ich weiß, wen du meinst. Nettes Mädchen. Schade, dass sie dieses Problem mit ihrer Figur hat.«
    Hubert schüttelt den Kopf. »Was für ein Problem? Reden wir wirklich vom selben Mädchen?«
    »Sicher doch. Angenehmer Alt, auffallend grüne Augen. Ich vermute allerdings, dass sie zu früh mit der Pille angefangen hat. Oder mit der falschen. Manche Mädchen gehen davon auf wie ein Hefekuchen.«
    Sie wirft einen kurzen prüfenden Blick auf Hubert. Ihr Mann starrt auf die Ampel, als sei er von dem Gedanken an Bettinas Vorkehrungen unangenehm berührt. So etwas sind Frauengeschichten für ihn, und sie stehen auch ziemlich weit oben auf seiner Liste. Aber vielleicht weiß er wirklich, wie sie verhütet. Was tu ich, wenn er sagt: nöh, wir nehmen Gummis?
    »Redet ihr mit den Girlies nicht über solche Sachen?« Seine Stimme klingt harmlos, unbeteiligt.
    »Von uns lassen die sich noch weniger sagen als von ihren Müttern.« Welches Stück führen wir eigentlich gerade auf? Das vom leicht trotteligen, aber väterlichen Lehrer? Oder bilde ich mir das alles nur ein? Wieso erzählt er mir von dieser Bettina, wenn er etwas mit ihr hat? So blöd ist er doch nicht.
    Doch, denkt sie dann. Der ist so blöd, und kommt sich dabei noch schlau vor. Ich erzähl ihr von der Bettina, dann meint sie, es kann nichts dahinter sein, weil ich es ihr sonst nicht

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