Die Schwester der Nonne
tiefgläubiger Mann, aber er wusste, dass man es sich mit der Gottesmacht nicht verderben durfte. Die irdische Strafe würde entsprechend schrecklich sein. So ersparte er sich eine Antwort auf die losen Sprüche des Gelehrten und verbeugte sich tief, als der Kurfürst vorbeiritt.
Vor dem Rathaus hielt der prachtvolle Zug und der Bürgermeister trat nun heran, um den Kurfürsten in den Mauern seiner Geburtsstadt willkommen zu heißen.
»Mein lieber Bürgermeister«, sagte der Kurfürst jovial, »wie beneide ich Euch um die schöne Stadt, in der Ihr leben dürft. Meißen hat zwar die Elbe und die Berge ringsum, aber mir geht das Herz auf, wenn ich den Fuß auf den Boden dieses umtriebigen Handelsplatzes setzen kann.«
»Ihr ehrt uns mit Eurer Anwesenheit, Durchlaucht, und wir schätzen uns glücklich, Euch in unseren Mauern beherbergen zu dürfen.« Der Bürgermeister begrüßte seinen Landesherrn mit stolzgeschwellter Brust.
Die freie Bürgerschaft der Handelsstadt war sich ihrer Bedeutung bewusst, doch der Besuch des Landesvaters war eine besondere Ehre. Er verlieh der Stadt ein bisschen vom Glanz des Meißner Hofes.
Es war Friedrichs Vater, Friedrich dem Streitbaren, und dessen gleichfalls regierendem Bruder Wilhelm II. zu verdanken, dass in Leipzig im Jahre 1409 eine Universität gegründet wurde. Der Gelehrte neben Hieronymus schien das vergessen zu haben, als er sich aus seiner nicht sehr tiefen Verbeugung aufrichtete. Ein bisschen mehr Dankbarkeit gegenüber der Obrigkeit hätte er ruhig zeigen können.
Das waren noch Zeiten, als Friedrich I., dieser kluge und kampferprobte Mann, den Wettinern die Kurwürde erstritt. Er hatte sich als erfolgreicher Feldherr im Kampf gegen die böhmischen Hussiten die Achtung des deutschen Königs Siegmund erworben, was ihm später die Belehnung mit dem Herzogtum und der Kur Sachsen, dem Erzmarschallamt der Pfalz Allstedt, der Grafschaft Brehna und der Burggrafschaft Magdeburg einbrachte.
Mit Friedrich I., wie er als Kurfürst schließlich genannt wurde, stieg das Haus Wettin in die Führungsriege der deutschen Reichsfürsten auf. Es entsandte einen der sieben Adeligen, die den Römischen König wählten.
Diesen Status konnten zu Hieronymus’ Bedauern Friedrichs Söhne nicht aufrechterhalten, die nach einem unseligen Bruderkrieg Kursachsen teilten. Das war eine Katastrophe für den Handel. Je mehr Landesgrenzen, Zollschranken, Gesetze es gab, umso komplizierter wurden die Geschäfte. Gerade das Altenburger Land war eine wichtige Verbindung zu den südlichen und westlichen Handelspartnern.
Bis vor wenigen Jahren flackerten immer wieder Fehden zwischen den Ländern der beiden Brüder auf. Im Gegensatz zu Friedrich I., der streitbar und gleichzeitig einigend auftrat, war sein Sohn Friedrich II., der Sanftmütige, zu weich und nachgiebig. Er ließ sich von seinem Bruder Wilhelm III. auf der Nase herumtanzen.
Wie glücklich wäre alles verlaufen, wenn es die Teilung des Landes Sachsen nicht gegeben hätte. So viel vergeudete Kraft, und so viel verlorenes Geld. Hieronymus durfte gar nicht daran denken, wie viel Gewinn ihm durch diese Zwistigkeiten verloren gegangen war.
Solcherlei Gedanken gingen Hieronymus durch den Kopf, als er die Begrüßung des Kurfürsten beobachtete.
»Ja, was blüht denn da für eine wunderschöne Blume im Verborgenen?«, staunte der Kurfürst, und zum ersten Mal an diesem Tag erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Gleichzeitig vertieften sich seine Falten.
»Mit Verlaub, Hoheit, darf ich Euch mein reizendes Töchterchen Elisabeth vorstellen?«
Elisabeth verharrte im tiefsten Hofknicks und hielt das Haupt gesenkt. Ihr langes blondes Haar fiel wie ein Wasserfall über ihren Rücken, und die kleine goldbestickte Brokatkappe, die sie trug, unterstrich ihren Liebreiz. Der Kurfürst beugte sich zu ihr herab und ergriff ihre Hand.
»Erhebe dich, schönes Kind, auf dass dein Anblick meine Augen und mein Herz erfreue.«
»Der Bürgermeister soll nur aufpassen, dass der Kurfürst seine Tochter nicht als Hofdame für seine Gattin erwählt. Wäre ein hübsches Geschenk, wenn er wieder nach Meißen zurückkehrt.« Der Gelehrte neben Hieronymus hielt die Hände vor der Brust verschränkt und betrachtete kritisch die Szene.
»Warum sollte er das tun?«, wunderte sich Hieronymus. »Sie ist nicht von Adel.«
»Na und? Als kleine Mätresse aber allemal gut genug. Da zählt weniger die Herkunft als die Schönheit.«
Ja, Elisabeth war wirklich schön. In
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