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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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nahm Thomas sofort in Beschlag und plauderte mit ihm so kurzweilig und lustig, dass er schnell seinen Kummer vergaß.
    Unter dem Siegel der strengsten Verschwiegenheit verriet sie ihm unglaubliche Liebespraktiken, die das Paradies auf Erden versprachen. Das versprachen auch Beates Augen, die es wohl nicht erwarten konnte, diese geheimen und spannenden Dinge mit ihm auszuprobieren.
    Auf dem Marktplatz wurden Brezeln und Honigbrote an die Bevölkerung verteilt, und es gab Bier und Honigwein zu trinken. Gaukler und Musikanten unterhielten die Gäste, und ein dressierter Hund vollführte allerlei Kunststücke. Zum Schluss lief er auf den Hinterbeinen und bettelte mit einem Hut in der Schnauze um einen Obolus.
    Hieronymus betrachtete das Treiben mit nachdenklichem Schweigen. Im Ratssaal hatte damals alles angefangen, als er Elisabeth kennen lernte. Was war in der Zwischenzeit alles geschehen!
    Maria und Katharina erhoben sich nach einer Weile.
    »Liebe Gäste, bitte feiert weiter«, sagte Maria. »Katharina und ich haben noch etwas vor, was uns beiden sehr am Herzen liegt.«
    »Wir werden euch begleiten«, boten sich Hans und Klaus sofort an, aber die beiden Schwestern wehrten ab. »Das, was wir tun wollen, müssen wir allein tun. Keine Bange, uns geschieht nichts. Wir kommen bald zurück.«
    Hand in Hand gingen sie zum Barfußpförtchen hinaus und wanderten den Weg entlang, den Katharina vor Wochen schon einmal ging, gefesselt, geschunden, im Büßerhemd. Marias Hand gab ihr Kraft. Einen Herzschlag lang zögerte Katharina, bevor sie die Brücke betraten.
    »Du wolltest für mich sterben«, sagte Maria leise.
    »Und du wolltest für mich sterben. Dank guter Menschen und ihrer Liebe zu uns dürfen wir noch hier stehen.«
    »Niemand soll uns je wieder trennen. Ich glaube, unsere Schutzheilige hat dafür gesorgt, dass wir uns unserer Stärke erinnern und unserer Liebe zueinander.«
    Sie nahmen ihre Brautkränze vom Kopf. Dann traten sie an das Brückengeländer heran und warfen sie in das Wasser der dahineilenden Elster.
    »Für alle Unschuldigen, die für ihre Liebe sterben mussten.«
    Draußen auf den Pfingstweiden ging die alte Griseldis mit ihrer Ziege spazieren. Während die Ziege sich die frischen Gräser schmecken ließ, sammelte Griseldis Kräuter in ihren Korb. Der ganze Hochzeitstrubel berührte sie wenig.
    Katharina war wieder geheilt, und das hatte sie ihren Kräutern zu verdanken. Mochten manche Leute auch dummes Zeug da­her­reden, wenn es ihnen allzu arg ging, fanden sie schon den Weg zu ihr.
    Hinter dem Gebüsch mit den ersten grünen Blattspitzen hockte eine schwarze Gestalt mit brennenden Augen.
    »Altes Weib, Ziegenbock, Knotenstock, Zauberkräuter – die Hexe aus dem Wald!« Tobias hustete und presste die Hand auf den Mund, um sich nicht zu verraten. Er würde diese Hexe zur Strecke bringen, um endlich wieder Gott zu gefallen. Das Böse lauerte schließlich überall.
    ***
    Längst ist Leipzig über seine Mauern hinausgewachsen. So mancher Fluss in der Aue wurde in ein Kanalbett gezwungen. Die Reformation fegte die Klöster der Stadt hinweg. Herrscher kamen und gingen. Die heilige Brücke aber gibt es noch immer. Auch manch andere Dinge haben sich nicht verändert. Den Marktplatz findet man noch an derselben Stelle, und Straßennamen wie Nonnenstraße, Kuhturmstraße, Barfußgasse erinnern an die Vergangenheit.
    Der Thomanerchor wurde weltberühmt, die Universität, die Alma mater Lipsiensis, feiert bald ihr 600. Gründungsjubiläum. Die Stadtkasse ist immer noch leer, und der Stadtrat lässt sich so mancherlei einfallen, um sie wieder zu füllen.
    In jedem Frühjahr verwandelt sich der Auwald nach wie vor in ein Blütenmeer. Wer am zeitigen Morgen durch die Aue wandert, der kann mit ein bisschen Fantasie in den Nebeln über den Wiesen Gestalten erkennen, die zu Sagen wurden. Auch die Sage von der heiligen Brücke und den Zwillingsschwestern könnte sich so oder so ähnlich zugetragen haben.
    Eines ist sicher: Tiefe, wahre Liebe gab es zu allen Zeiten!

Glossar
    Borago lat.: Borretsch, Gartenkraut
Burse studentische Unterkunft
Diptamnum lat.: Diptam, Heilkraut
Disputatio(nes) lat.: Auseinandersetzung(en) über ein bestimmtes Thema
Doctor iuris lat.: Doktor des Rechts
Eidam Schwiegersohn
Häresie Ketzerei
Hortas lat.: Garten
Kinneperlen alte Bezeichnung für Pfingstrosen, abgeleitet von den perlenförmigen Samen
Klausur abgeschlossener Gebäudeteil im Kloster, der ausschließlich den Mönchen bzw. Nonnen

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