Die Schwestern von Rose Cottage: Melanie (German Edition)
ihr ansehen, dass sie die Situation sofort erfasst hatte. Es war bestimmt nicht das erste Mal, dass er eine Geliebte hatte. Ich frage mich bloß, was für eine Lüge er erfunden haben muss, damit sie ihn heute noch mal wegließ. Er kam, um zu retten, was noch zu retten war.“
„Du hast doch hoffentlich kein Wort von dem geglaubt, was er dir erzählt hat, oder?“, fragte Ashley.
„Natürlich nicht. Außerdem wusste ich, dass ihr inzwischen auf dem Weg zu mir wart, und habe ihn so schnell wie möglich hinausgeworfen.“ Sie seufzte. „Mensch, wie dumm ich war! Ich hätte bereits vor Monaten begreifen müssen, was da vor sich ging.“
Jo lächelte und stieß Melanie freundschaftlich in die Rippen. „Du bist wohl doch leicht begriffsstutzig, was? In Mathe warst du auch keine Leuchte.“
„He, das ist nicht lustig, kleine Schwester“, protestierte Melanie. „Was soll ich bloß tun? Ich kann doch jetzt bei Rockingham Industries nicht mehr weiterarbeiten. Ich hätte mich niemals mit einem Kollegen einlassen sollen. Allein bei dem Gedanken, dass ich ihn dort wieder sehen werde, krampft sich mir der Magen zusammen. Oh verflixt, noch gestern habe ich alles getan, um ihm so oft wie möglich zu begegnen. Unter allen möglichen Vorwänden bin ich in sein Büro gelaufen.“
„Was du im Moment brauchst, ist Abstand“, riet Maggie mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. „Und ich weiß auch schon, welcher der geeignete Ort dafür ist.“
„Ich muss einen anderen Job finden“, korrigierte Melanie ihre Schwester. „Ich weiß, dass ich bei Rockingham nicht gerade Karriere gemacht habe, aber immerhin konnte ich mit diesem Sekretärinnenjob meine Miete bezahlen.“
„Du musst dich nicht sofort auf die Suche begeben“, warf Ashley ein. „Falls du knapp bei Kasse bist, leihe ich dir gern etwas.“
„Das sagt die gut verdienende Anwältin, die sich vor Geld nicht mehr retten kann und keine Zeit hat, es auszugeben“, bemerkte Jo. „Aber von uns kannst du natürlich auch etwas bekommen.“
„Klar“, stimmte Maggie sofort zu.
Ashley nickte. „Also gut, das wäre geklärt. Und ich weiß auch schon, an welchen Ort Maggie denkt. Du solltest in Großmutters Cottage fahren, Melanie. Du weißt doch, wie gut es uns dort gefallen hat. Es gibt keinen besseren Platz auf der Welt, um seine Gedanken und Gefühle zu ordnen.“
„Damals waren wir Kinder“, wandte Melanie ein. „Wir haben unsere Sommerferien dort verbracht. Kein Wunder, dass es uns dort gefallen hat. Aber seit wir erwachsen sind, ist keiner von uns mehr hingefahren. Nicht mal Mom. Wahrscheinlich sind Garten und Haus in einem erbärmlichen Zustand.“
„Das wäre doch nur ein weiterer Grund, dort endlich mal Urlaub zu machen“, erwiderte Ashley, die sich offenbar für Maggies Idee erwärmt hatte. „Ein paar Renovierungsarbeiten sind genau das, was deine Laune aufbessern würde. Das Haus ist bestimmt ein Vermögen wert. Vielleicht könnten wir Mom überreden, es zu verkaufen.“
„Das wird sie nicht tun“, sagte Maggie. „Du weißt doch, wie sehr sie daran hängt.“
„Nun, das ist im Moment auch nicht so wichtig“, wehrte Ashley ab.
„Was ist denn wichtig?“, fragte Jo. „Ich verliere langsam den Überblick.“
„Dass Melanie etwas zu tun hat. Das Haus zu renovieren und den Garten in Ordnung zu bringen, das wird sie am Tag beschäftigen, und abends wird sie dann so erschöpft sein, dass sie sofort einschläft“, erklärte Ashley. „Und wir werden sie abwechselnd am Wochenende besuchen, um ihr Gesellschaft zu leisten.“
„Falle ich euch so zur Last, dass ihr es kaum erwarten könnt, mich loszuwerden?“, fragte Melanie.
Sie war nicht sicher, ob sie in einem Haus wohnen wollte, in dem sie sich und ihren Gedanken ganz allein überlassen war. Das Landhaus ihrer Großmutter lag an den Ufern der Chesapeake Bay in Virginia. Obwohl sich die Region in den letzten Jahren weiterentwickelt hatte, war dort nach Bostoner Standard noch immer tiefste Provinz. Sie bezweifelte, dass es dort ein Kino oder gar ein vernünftiges Einkaufszentrum gab.
„Es ist doch keine Verbannung“, scherzte Ashley.
„Aber warum sollte ich Jeremy die Genugtuung geben und davonlaufen?“, widersprach Melanie. „Er ist doch derjenige, der gegen jegliche Regeln der Moral verstoßen hat.“
„Das stimmt“, warf Jo ein.
Ashley warf beiden Schwestern einen strengen Blick zu. „Was schlagt ihr also vor? Soll sie ihm Tag für Tag bei der Arbeit begegnen? Hört sich das
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