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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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öffnen. Dann würde sich Großkönig Danton – auch Danton der Rasende, Danton der Grausame und bisweilen Danton der Unversöhnliche genannt – die blutigen Überreste seines königlichen Sprosses ansehen und entscheiden, was damit geschehen sollte.
     
    Mein Vater,
     
    vergib mir.
    Ich kenne den Namen meiner Krankheit, auch wenn ihn niemand laut auszusprechen wagt. Ich weiß, was für ein Tod mich erwartet, weiß um die Schwäche, die immer größer wird und einen gesunden Mann Schritt um Schritt zum Krüppel macht, und weiß auch, dass es keine Heilung gibt. Ich weiß, dass ich bestenfalls noch ein paar Jahre vor mir habe, Jahre, in denen das Feuer in meiner Seele immer weiter herunterbrennt, bis es in den letzten Stunden schließlich erlischt und nur noch eine leere Hülle zurücklässt.
    Vergib mir, Vater, wenn ich in dieser Nacht einen schnelleren Ausweg wähle. Vergib mir, wenn ich in deiner Erinnerung lieber als Prinz in der Blüte seiner Kraft fortleben möchte und nicht als lebender Leichnam, der nicht mehr die Kraft hatte, sein Bett zu verlassen. Vergib mir vor allem, dass ich nicht vorher mit dir darüber sprach, denn ich wusste, dass du mir die Tat verboten und die Hoffnung so lange nicht aufgegeben hättest, bis der letzte Rest meiner Lebensenergie verbraucht und mir nur noch jener grausame Tod geblieben wäre.
    Denn es gibt keine Hoffnung. Nicht bei dieser Krankheit. Das ist seit tausend Generationen überliefert, und selbst die vielen Magister, die du an deinen Hof geholt hast, können daran nichts ändern.
    Vergib mir, mein Vater. Behalte mich so im Gedächtnis, wie ich vor meinem Sprung in den Tod war, und tröste dich mit der Zeit, die wir gemeinsam verbringen durften und die mir kostbar war.
    Nun soll diese Zeit nach dem Ratschluss der Götter zu Ende sein, und gegen das Wort der Götter ist der Mensch machtlos.
    Andovan
    König Danton war selbst bei bester Laune kein sanftmütiger Mensch. Doch nun hätte er sich mit seinem finsteren, von Wut, Trauer und tiefem Schock verzerrten Gesicht zu den Dämonen an die Höllenpforte stellen können, ohne allzu sehr aufzufallen. In seinem jetzigen Zustand hätten sich womöglich sogar die bösen Geister gehütet, ihm zu nahe zu kommen.
    Auch kein Sterblicher wagte, sich ihm zu nähern. Niemand sprach ein Wort. Nicht einmal die Magister, die wie Aasgeier den Schauplatz umschwirrten – einige davon im wahrsten Sinne des Wortes, hatten sie doch die Vogelgestalt gewählt, um die Szene im Schlosshof so gefahrlos wie möglich überschauen zu können.
    Sogar Ramirus schwieg. Der mächtigste Magister des mächtigsten Reiches der Menschen kniete neben dem Leichnam des Prinzen und suchte der Tragödie mit allen magischen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, auf die Spur zu kommen. Das war keineswegs ungefährlich, denn jede Verbindung zum Konjunkten eines Magisters, auch wenn er bereits tot war, barg ein Risiko in sich. Ramirus wusste ja nicht, ob das Band zwischen Andovan und seinem Mörder nicht noch in der Seele des Prinzen verankert war, und konnte, wenn er auf der Suche nach Antworten die betreffende Stelle berührte, durchaus selbst zum Opfer des unbekannten Zauberers werden.
    Danton konnte man das alles natürlich nicht erklären. Der Großkönig dachte nur in Begriffen wie Ruchlosigkeit, Versagen – und Schuld.
    »Wer war das?«, fragte er. »Welcher Verbrecher hat meinem eigen Fleisch und Blut das angetan? Das kostet ihn den Kopf.«
    Der Königliche Magister wählte einen sachlichen Ton, in der Hoffnung, den König zu beruhigen, obwohl sein Herz ihm sagte, dass das aussichtslos war. »Ich finde nichts, was dafür spräche, dass ihm von außen Gewalt zugefügt wurde, Majestät. Die einzigen Verletzungen stammen von seinem Sturz in den Tod.« Er blickte zum König auf. »Mehr kann ich dem Leichnam nicht entnehmen. Es tut mir leid. Die Macht, die wir beschwören, ist eine lebendige Kraft, und wenn erst das Leben aus einem Menschen gewichen ist, bleibt nicht mehr viel, was man untersuchen könnte.«
    Danton knurrte tief in der Kehle, ein Laut wie die Warnung eines gereizten Löwen. »Ich will keine Ausreden hören, Magister , ich verlange Erklärungen.«
    Ramirus biss die Zähne zusammen und wandte sich wieder dem Leichnam zu. Es gab keine Erklärung, die Danton zufriedengestellt hätte, aber ihm nichts zu liefern, wäre noch gefährlicher gewesen. »Verzweiflung umhüllt den Körper wie ein Leichentuch«, sagte er endlich. »Nicht die Verzweiflung des

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