Die Seelenzauberin
erzitterten die Wolken und verschwanden; die marschierenden Soldaten unter ihm wurden durchsichtig und versickerten in der Landschaft. In der Ferne heulte etwas auf, das in keine Welt gehörte, und wurde dann – immer noch namenlos – zum Schweigen gebracht.
»Du hast keine Macht über mich«, wiederholte er. Seine Stimme war kräftiger geworden, allmählich gewann er auch die Herrschaft über seinen Körper und damit sein Selbstbewusstsein zurück. Glaubte sie wirklich, er hätte die vier Jahre im Kloster vergeudet? Glaubte sie, ein Keuschheitsgelübde würde leichthin geschworen und mühelos über vier Jahre gehalten, Selbstverleugnung sei nur oberflächliche Tändelei und hätte keinen Einfluss darauf, was für ein Mann einer wurde? Er hatte die Bestie in seiner Seele schon früher besiegt; wenn nötig, konnte er das auch wieder tun. Sogar mitten in diesem verfluchten Traum und während ihm noch der Schweiß der Leidenschaft an der Haut klebte.
Der Geruch hatte sich verändert. Auch die letzte Spur von Süße war verschwunden. Beißende Schwaden stiegen ihm in die Nase und trieben ihm die Tränen in die Augen. Plötzlich fiel ihm ein, was ihm seine Mutter über den üblen Geruch im Palast erzählt hatte, als Kostas noch hier gewohnt hatte. Kein echter Geruch, hatte sie gesagt, es gab keine Quelle, nichts, was andere Menschen gespürt hätten, nur Angehörige ihrer Familie konnten ihn wahrnehmen.
Damit krachte das ganze Traumgebäude über ihm zusammen. Düstere Bilder überschwemmten sein Bewusstsein und nahmen ihm den Atem. Er kämpfte dagegen an, wollte sich emporarbeiten und wieder auftauchen. Irgendwo jenseits von alledem war die wirkliche Welt, die Welt des Schöpfers, er musste sie nur erreichen, dann wäre die Macht dieser schmutzigen Magie gebrochen. Er betete wie im Fieber, verwendete die vertrauten Phrasen, um seine Gedanken zu bündeln und seine Seele zu stärken: Heiliger Vater, der du die Welt erschufst, auf dass der Mensch darin lebe, und der du uns alles eingepflanzt hast, dessen er bedarf … Langsam, ganz langsam verblassten die schrecklichen Bilder. Schwarze Edelsteinaugen. Amethystfarbene Schwingen. Soldaten, die nach Norden marschierten, um sein Land zu überfallen …
Draußen wurde an die Tür gehämmert.
Er schlug die Augen auf und blinzelte, bis sein Blick sich klärte. Soeben kroch das erste Licht des Morgens durch die Fenster in ein Zimmer, das erschütternd normal aussah. Sein Bett war durchtränkt von kaltem Schweiß, aber es roch erfrischend menschlich. Welche Hexerei sich seiner Seele auch für kurze Zeit bemächtigt haben mochte, es war nichts davon zurückgeblieben.
Er flüsterte ein Dankgebet an seinen Gott.
»Majestät! Ist etwas geschehen?«
Bevor er die Sprache wiedergefunden hatte, flog die Tür auf, und zwei seiner Gardisten stürmten in den Raum. Einer hatte bereits sein Schwert gezogen und schien ziemlich überrascht, als er außer seinem Kameraden und dem Großkönig niemanden vorfand. Er spähte argwöhnisch in jeden Winkel, während sein Begleiter sich beschämt verneigte. »Wir bitten um Vergebung, aber Majestät haben laut geschrien …«
Salvator winkte ab. »Es ist alles in Ordnung. Ihr seht es ja selbst. Aber ich danke euch für eure Fürsorge.«
Sie wollten unter Verbeugungen den Raum verlassen, aber er bedeutete ihnen zu warten. »Ich habe lange genug geschlafen«, sagte er, schwang die Beine über die Bettkante und stand auf. »Man soll mir ein kaltes Frühstück bringen. Und ein Bad einlassen. Ein kaltes Bad. Und danach …« Er kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Danach ruft ihr meine Berater zusammen. Es gibt viel zu besprechen.«
Er fragte sich, was seine Mutter wohl von diesem Traum gehalten hätte, hing aber dem Gedanken nicht lange nach. Letztlich hatte ihn sein Glaube an den Schöpfer gerettet, und die Erziehung, die er im Kloster genossen hatte – keine geheimnisvolle Gabe, deren Namen man nicht einmal kannte.
Diese Kraft könntest auch du haben , dachte er, an Gwynofar gerichtet. Du müsstest dich nur von deinen sinnlosen Mythen verabschieden.
Kapitel 28
Die dritte Schwester stieg aus dem Nebelmeer empor, als bräche ein Wal durch die Oberfläche des Ozeans. Nebel füllte die Senken in der Landschaft, sodass dort fast alles unsichtbar wurde und feine Schwaden sich wie Seidenschleier über alles Übrige legten. Die Sonne ging langsam auf und verdrängte am östlichen Horizont allmählich die Schwärze der Nacht vom Himmel. Der
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