Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenzauberin

Die Seelenzauberin

Titel: Die Seelenzauberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
Vom Netzwerk:
sie vor Entdeckung bewahren konnte.
    Diesem Zwang zur Lautlosigkeit hatten sie eines ihrer wertvollsten Hilfsmittel geopfert. Sie hatten Lazaroths Stifte tags zuvor an einem Felsen im Gelände ausprobiert, und sie hatten zwar ihren Zweck erfüllt, waren aber keineswegs leise gewesen. In Keirdwyns Burg hatte man das nicht weiter für wichtig gehalten, aber hier konnte es über Leben und Tod entscheiden. Der Hauptmann hatte erklärt, das Risiko sei zu groß. Sie dürften Ramirus’ Schutzzauber nicht zu sehr strapazieren. Gwynofar war gar nicht unbedingt seiner Meinung gewesen, aber hier inmitten dieser unendlichen Stille musste sie ihm recht geben.
    Daraus folgte, dass die Männer diesen Felsen nur mit Hartnäckigkeit und einigen ganz profanen Werkzeugen erklimmen mussten.
    Ich glaube an dich , artikulierte Rhys, als er den letzten Knoten an Gwynofars Klettergeschirr festzog, und küsste sie auf die Stirn; sie umarmte ihn fest und gestattete sich, ein letztes Mal in seinen Armen zu zittern. Er würde in der Nähe bleiben, um sie zu schützen, wenn etwas schiefgehen sollte.
    Dann begann der Aufstieg, und Gwynofar hielt unwillkürlich den Atem an. Die Kletterer bewegten sich unglaublich geschickt und fanden an so feinen Spalten und so kleinen Vorsprüngen Halt, dass man den Eindruck gewinnen konnte, sie hätten die Haftfüße einer Spinne und nicht die plumpen Greiforgane eines Menschen. Einmal verzichteten sie sogar ganz auf die Hände. Sie stemmten sich mit dem Rücken an eine Seite einer senkrechten Spalte, drückten die Füße gegen die andere und überbrückten so die Öffnung. Dabei schoben sie sich, nur durch die Reibung und durch schiere Muskelkraft gehalten, an den Wänden nach oben. Es war mühsam und langwierig, und Gwynofar taten schon vom Zusehen alle Knochen weh.
    Doch die Männer befestigten außerdem in verschiedenen Spalten Seilschlingen und legten so eine Spur von neuen Griffen für die Nachfolgenden. Als die nächsten Männer einstiegen, stellten sich die ersten beiden hoch über ihnen auf ein Sims. Sobald sie ihre Seile fest verankert hatten, ließen sie ein Ende zu Gwynofar hinab, und Rhys half ihr, es an ihrem Gürtel festzuhaken. Über eine Vorrichtung aus Seilen und Rollen wurde ihr Gewicht verteilt, dadurch hatten die Männer weniger Mühe, doch das änderte nichts an ihrer Höhenangst, als plötzlich der Boden unter ihr wegsackte, und an ihrer Panik, sooft sie das Seil gegen einen spitzen Felsvorsprung trug. Sie tat, was sie konnte, um den Kontakt mit der Wand nicht zu verlieren, und spreizte sich ein, um die Pendelbewegung auszugleichen. Damit war sie so beschäftigt, dass ihr keine Zeit blieb, um nach unten zu sehen, und das war wohl auch gut so.
    Als sie das Sims erreichte, hoben zwei Männer sie hinauf, stellten sie mit dem Rücken gegen die Felswand, lösten das Seil des Flaschenzugs von ihrem Gürtel und ersetzten es durch eine Notleine. Die Vorsteiger hatten bereits den nächsten Abschnitt in Angriff genommen. Noch drei Etappen, erinnerte sie sich. Sie war bereits so hoch oben, dass ihr fast das Herz stehen blieb, wenn sie hinunterschaute.
    Wir sind schon so weit gekommen , dachte sie. Wir werden es schaffen. Jede neue Etappe brachte sie ihrem Ziel näher. Und bisher waren sie unentdeckt geblieben.
    Kamala war nicht mehr zu sehen. Aber der Felsturm versperrte ihr nach mehreren Richtungen die Sicht, sie hatte also keinen Grund, sich deshalb Sorgen zu machen.
    Also schloss sie die Augen und wartete, bis sie wieder an die Reihe kam.

    Kamala befand sich genau über der Zitadelle, als sie auf einem der Türme einen Mann mit einer schlichten Holzkiste bemerkte. Er war nicht wie ein Gardist gekleidet, sondern trug ein kostbares Gewand aus blauem Brokat, das in den ersten Strahlen der Morgensonne golden glitzerte. Wahrscheinlich jemand aus der Führerschaft. Ganz kurz spürte sie den verrückten Wunsch, ihn auf der Stelle zu töten, aber das Risiko war zu groß. Damit würde sie in der ganzen Zitadelle Alarm auslösen. Ihre Gefährten waren tapfer, aber sie machte sich nicht vor, dass sie bei einem Kampf gegen Anukyats versammelte Streitmacht eine Chance hätten. Unbemerkt zu bleiben war von größter Wichtigkeit.
    Aufmerksam schaute sie nach allen Richtungen über die Landschaft. Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Rhys’ Leute hatten bereits den Fuß des Turms erreicht und waren für den Mann nicht zu sehen. Aber wenn er einen Punkt suchte, von dem aus er das gesamte

Weitere Kostenlose Bücher