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Die Seemannsbraut

Die Seemannsbraut

Titel: Die Seemannsbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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besah sich das Schiff näher, ihre Gedanken kreisten um den Namen. Wieso machte er sie stutzig?
    Ein anderer murmelte: »Guter Gott, Aubrey, ich dachte, die wäre eine ausgemusterte Hulk in Plymouth!«
    Gläser klangen, aber die Frau bewegte sich nicht. Kapitän Haven? Der Name sagte ihr nichts.
    Das Wachboot ruderte müde dem hohen Zweidecker entgegen. Die Frau liebte es, einlaufenden Schiffen zuzuschauen, das Durcheinander an Deck wahrzunehmen, die nach außen hin konfus erscheinenden Vorbereitungen, bis der große Anker ins Wasser platschte. Neue Seeleute würden die Insel betreten, viele zum erstenmal. Ein ferner Gruß von den Häfen und Ortschaften Englands.
    Der Sprecher erklärte weiter: »Ja, die
Hyperion
war schon außer Dienst gestellt. Aber in diesem Krieg, der sich mit jedem Tag ausweitet, sind unsere Oberen in Whitehall so unvorbereitet wie immer. Ich nehme an, daß sogar noch die Wracks an unserer Küste wieder in Dienst gestellt werden.«
    Eine schon schwere Zunge sagte: »Ich erinnere mich jetzt: Sie griff damals allein an und erbeutete einen verdammt großen Dreidecker. Kein Wunder, daß das arme alte Mädchen danach aufgelegt werden mußte. He, was ist das?«
    Die Frau wagte kaum zu blinzeln, als der Umfang des Zweideckers sich vergrößerte, während seine Segel sich blähten und das Schiff jeden Hauch einer Brise nützte, den es aufzuspüren vermochte.
    Den Sprecher hatte es an die Balustrade getrieben. »Das ist ein besonderes Schiff, Aubrey. Immerhin führt es eine Admiralsflagge.«
    »Vizeadmiral«, verbesserte sein Gastgeber. »Anscheinend die Flagge von Sir Richard Bolitho, Vizeadmiral der Roten Flotte.« Die Frau stützte eine Hand auf die Balustrade, der heiße Stein gab ihr Halt. Doch ihr Mann mußte es bemerkt haben. »Was hast du, kennst du ihn? Ein wahrer Held, wenn die Hälfte von dem, was ich gelesen habe, zutrifft.«
    Sie packte den Fächer fester und drückte ihn gegen die Brust. Das war es also, was ihr bevorstand:
Er
kam hierher nach Antigua. Nach all der Zeit und nach allem, was er durchgemacht hatte.
    Kein Wunder, daß sie sich des Schiffsnamens entsann. Er hatte oft so herzlich von seiner alten
Hyperion
gesprochen, einem der ersten Schiffe, die er als Kommandant geführt hatte. Ihre plötzliche Erregung überraschte sie, mehr noch ihre Fähigkeit, sie zu verbergen. »Ich traf ihn vor Jahren.«
    »Noch ein Glas Wein, Gentlemen?«
    Sie entspannte sich, Muskel für Muskel. Wurde sich der Feuchtigkeit ihres Kleides bewußt und ihres Körpers, der sich darin so beengt fühlte. Dann verwünschte sie sich ob ihrer Dummheit. Es konnte nie wieder so sein wie damals, niemals. Sie drehte dem Schiff den Rücken zu und lächelte die anderen an. Doch selbst ihr Lächeln war eine Lüge.
    Richard Bolitho stand unentschlossen in der Mitte der großen Heckkajüte, mit schiefem Kopf dem plötzlichen Stampfen bloßer Füße auf dem Achterdeck über sich lauschend. Vertraute Geräusche drangen in den Raum: der gedämpfte Chor der Kommandos, das prompt folgende Quietschen der Blöcke beim
    Rote, Blaue und Weiße Flotten: Einteilung nach Operationsgebieten Brassen der Rahen. Und doch bewegte sich das Schiff kaum. Nur die hohen, schimmernden Streifen goldenen Sonnenlichts, die langsam durch die Kajüte wanderten, wiesen daraufhin, daß
Hyperion
mühsam in den ablandigen Wind drehte.
    Das Land lag als grünes Panorama vor den Heckfenstern. Antigua … Schon der Name war für ihn wie ein Stich ins Herz. Er beschwor so viele Erinnerungen herauf, so viele Gesichter und Stimmen.
    Es war hier in English Harbour gewesen, wo er als eben beförderter Commander sein allererstes Schiff übernommen hatte: die kleine wendige Korvette
Sparrow.
Eine ganz andere Art von Schiff, aber damals war der Krieg mit den rebellierenden Amerikanern auch ganz anders gewesen. Wie lange schien das alles schon zurückzuliegen! Die Schiffe und Gesichter von damals, der Schmerz und die Freuden der Jugend.
    Er bedachte ihre Überfahrt von England. Man konnte sich keine schnellere wünschen: dreißig Tage. Die alte
Hyperion
hatte reagiert wie ein Vollblut und einen Konvoi von Handelsschiffen begleitet. Mehrere davon waren vollgestopft mit Soldaten: Verstärkungen oder Ersatz für die englischen Kompanien in der Karibik. Eher letzteres, dachte er düster. Soldaten starben hier draußen wie die Fliegen an dem einen oder anderen Fieber, ohne jemals den Knall einer französischen Muskete gehört zu haben.
    Bolitho trat langsam an die

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