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Im Tal der flammenden Sonne - Roman

Titel: Im Tal der flammenden Sonne - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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    Wie eine Schlange aus der mythischen Traumzeit der Aborigines glitt der Ghan, wie der Afghan-Expresszug genannt wurde, durch die flirrende Hitze des Outback. Es war früh am Nachmittag. Am Horizont, der mit dem endlosen blauen Himmel zu verschmelzen schien, krochen erste Schatten über die karge Landschaft. Windhosen, die wie Derwische über der Wüste wirbelten, waren die einzige Abwechslung in dieser Einöde.
    Der Zug war auf dem Weg nach Alice Springs. Neben der Lokomotive gab es einen Reisewagen, einen Speise- und einen Salonwaggon, zwei Wagen mit Schlafabteilen für Erste-Klasse-Passagiere sowie zwei Wagen für Fracht und Post. Da die Gleise sich bei Temperaturen von über 40 Grad zu verformen drohten und im Schatten fast 45 Grad Hitze herrschten, fuhr der Lokführer aus Sicherheitsgründen so langsam, dass kaum ein Lufthauch durch die geöffneten Fenster drang.
    »Warum wird der Zug denn jetzt noch langsamer, Mummy?«, nörgelte Arabella Fitzherbert und verzog unwillig ihren hübschen Mund. Sie war neunzehn Jahre alt, wirkte aber jünger. Arabella saß auf ihrem Bett im Erster-Klasse-Abteil, das Gesicht von den schulterlangen honigblonden Haaren umrahmt. Der sengenden Hitze wegen hatte sie die feuchte Kleidung ausgezogen, die ihr am Körper geklebt hatte, und trug nun ein luftiges Nachthemd.
    Clarice beugte sich aus dem Fenster. »Ich glaube, wir nähern uns einer kleinen Ortschaft. Scheint mir ein ziemlich hässliches und einsames Nest zu sein.«
    Bald darauf kam der Zug mit einem Ruck an einem Bahnsteig zum Stehen, der aus übereinandergeschichteten Eisenbahnschwellen bestand, über denen sich ein Wellblechdach spannte. Auf einem Schild, das schief an einen Pfosten genagelt war, stand:
    Marree – 84 Einwohner und eine Milliarde Fliegen
    Clarice schüttelte den Kopf. Die Menschen hier im Outback hatten wirklich einen merkwürdigen Sinn für Humor.
    Das Zischen der Lok verstummte, die Dampfwolke verflüchtigte sich und gab den Blick auf die Ortschaft frei. Obwohl sich den Fahrgästen über viele Meilen hinweg nichts Sehenswertes geboten hatte, hielt ihre Neugier sich in Grenzen. Die »Hauptstraße«, kaum mehr als ein staubiger Weg, wurde von dem zweistöckigen Sandsteingebäude des Great Northern Hotels, einem Postamt, einer Polizeiwache und drei aus Brettern und Wellblech erbauten Läden gesäumt. Durch den vom Wind aufgewirbelten roten Staub konnte man in der Ferne einige Häuser zwischen dürren Bäumen erkennen. Clarice sah, wie ein uniformierter Eisenbahnbeamter Postsäcke aus dem Zug wuchtete und neue Post entgegennahm. Dann fiel ihr Blick auf eine Gruppe von Aborigines und dunkelhäutigen Männern mit Turbanen, die sich dem Zug näherten.
    »O Gott!« Clarice prallte erschrocken zurück. »Sieh dir bloß diese Bettler an, Bella! Da bekommt man es ja mit der Angst zu tun! Wir werden auf keinen Fall aussteigen, egal was dein Vater sagt.«
    Als die Männer neugierig ins Innere des Abteils spähten, riss Clarice ein Bettlaken hoch und hielt es schützend vor ihre Tochter. »Zieh dir etwas über, Bella! Wer weiß, auf was für Gedanken diese Leute sonst kommen.«
    Sie zog den Vorhang vors Fenster und warf einen furchtsamen Blick auf die Tür des Abteils. Ob sie vorsichtshalber abschließen sollte?
    Die Luft im Abteil wurde unerträglich heiß und stickig.
    »Ist das eine Hitze hier drin!«, stöhnte Arabella.
    »Morgen sind wir in Alice Springs und können in unser Hotel«, tröstete Clarice sie. Auch sie träumte von einem kühlen Salon mit Ventilator und einem Drink mit viel Eis.
    Arabella klappte einen chinesischen Papierfächer auf, den sie auf einer Reise gekauft hatte, und fächelte sich Luft zu. »Diese Hitze macht mich ganz fertig, Mummy«, klagte sie mit weinerlicher Stimme. »Ich hab Kopfschmerzen!«
    »Sobald wir weiterfahren und ein bisschen frische Luft ins Abteil weht, wirst du dich besser fühlen.« Clarice schlug nach den Fliegen, die unter dem Vorhang hindurch ins Abteil krochen. »Übrigens, die Leute aus dem Nachbarabteil sind sehr nett. Dein Vater und ich werden nach dem Essen eine Partie Rommé mit ihnen spielen. Möchtest du nicht mitkommen, Bella?«
    Arabella ließ sich in die Kissen fallen. »Nein, und essen will ich auch nichts. Ich hab Bauchweh.«
    Das war nichts Neues. Arabella klagte oft über Bauchschmerzen und andere Beschwerden; deshalb war Clarice auch nicht allzu beunruhigt. Ihre Tochter neigte zur Hypochondrie und war immer schon eine

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