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Die Sehnsucht der Falter

Die Sehnsucht der Falter

Titel: Die Sehnsucht der Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Klein
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dabei. Niemand hielt sie zurück. Sie denken nur an mich.
    Ich habe weniger zu schreiben, als ich dachte. Auch gut. Es sind keine Seiten mehr übrig. Ich schreibe diese Worte auf das hintere Vorsatzblatt, eine nackte weiße Seite ohne Linien, die meine Gedanken in Ordnung halten könnten. Ich höre Schritte vor Miss Norris’ Tür. Wie gut ich dieses Geräusch kenne – das hohle Klacken der Absätze von Erwachsenenschuhen, wenn sie den leeren Flur hinuntergeht. Ich habe die letzten drei Jahre nichts anderes gehört. Mrs. Halton steht inmitten eines Knäuels grauhaariger Damen. Ich höre auch Stimmen. Miss Norris kommt gerade aus dem Nebenzimmer.
    Sie sind vor der Tür. Ich muss Stift und Tagebuch weglegen.

Nachwort
    Ich weiß nicht genau, was Dr. Wolff sich von diesem Nachwort verspricht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es eine gute Idee ist. Es kommt mir vor, als böte man einer Alkoholikerin einen Drink an, um ihre Willenskraft zu testen. Ich kann ohnehin nur darüber schreiben, wie ich jetzt bin. Ich kann unmöglich erklären, was ich vor dreißig Jahren geschrieben habe. Als ich dieses Tagebuch noch einmal las, und ich habe es hintereinander weg gelesen, kam es mir vor, als betrachtete ich einen Stern, der so weit entfernt ist, dass sein Licht schon lange nicht mehr leuchtet, wenn es uns erreicht.
    Ich habe geheiratet. Anders als die meisten meiner Bekannten bin ich nicht geschieden. Ich habe meine beiden Töchter beim Heranwachsen beobachtet wie Versuchstiere in einem Labor. Ich hoffte, dass ich, indem ich sie beobachtete, meine eigene Kindheit besser verstehen könnte. Aber wir scheinen unterschiedlichen Spezies anzugehören. Manchmal habe ich sie dabei ertappt, wie sie sich vor dem Spiegel herausputzten oder sich wegen irgendwelcher Klamotten quälten, und dann dachte ich, aha, jetzt tritt der Narzissmus doch zu Tage. Aber es stimmte nicht. Es waren nur Ausrutscher. In Brangwyn war es anders. Es gab nur uns und die Schule. Für uns hat es die Welt der Politik, die gesellschaftlichen Veränderungen und den Vietnamkrieg nie gegeben. Selbst wenn es um Ideen und Bücher ging, interessierten wir uns nur für das, was uns selbst widerspiegelte. Es wäre einfach, der Schule mit ihrer hermetischen Atmosphäre die Schuld daran zu geben, oder der Tatsache, dass die meisten von uns eine unglückliche Kindheit hatten, aber das erklärt nicht alles.
    Ich betrachte meine Töchter und staune über ihre Selbstsicherheit, ihre Empfindsamkeit, ihre Gelassenheit. Und doch ist ihnen bei all ihrem Glück etwas entgangen. Sie wissen nicht, dass es so ist, aber es stimmt. Sie waren immer in der Welt zu Hause. Sie kennen den Schmerz und die Überraschung nicht, wenn man erst in sie eintreten muss.
    Ich bekomme noch immer die Schulzeitschrift, obwohl ich Brangwyn zum Ende der elften Klasse unehrenhaft verlassen hatte. Ich werde noch immer alle fünf Jahre zum Klassentreffen eingeladen. Doch es ist mir zu peinlich, hinzugehen. Charley (eigentlich sollte ich sie Charlotte nennen, aber ich kann mich nicht dazu durchringen, da Charlotte eine Frau ist, die zu den Anonymen Alkoholikern geht und extra fürs Klassentreffen schon mal vier Kilo abgespeckt hat) wollte mich überreden, zum letzten Treffen zu kommen. Sie ist Schriftführerin, obwohl sie von der Schule geflogen ist. Ich dachte ernsthaft darüber nach. Ich war neugierig darauf, was aus der Schule und den ganzen Mädchen geworden ist. Doch im Grunde war ich nur neugierig darauf, was ich fühlen würde, wenn ich sie sähe. Meine Klasse war der letzte Internatsjahrgang, der die Schule abschloss. Ich weiß, dass man den größten Teil der Residenz in Klassenzimmer umgewandelt hat. Nur mit Tagesschülerinnen muss die Schule ganz schön langweilig sein.
    Ich wusste die ganze Zeit, dass ich nicht hingehen würde, obwohl ich Charley auf mich einreden ließ. Sie wollte mich davon überzeugen, dass sich niemand für das interessierte, was wir mit sechzehn getan hatten. Wir seien doch alle neurotisch gewesen. Ich sei nur ein wenig weiter gegangen als die anderen. Außerdem, sagte sie, hätten mich alle zu einer tragischen Figur verklärt, weil ich das folgende Schuljahr in einer Klinik verbracht hatte; alle hätten wie ich sein wollen. Sie haben vergessen, dass sie sich abwandten, wenn ich mich zu ihnen an den Tisch setzte. Sie haben vergessen, dass sie mir an allem, was geschehen war, die Schuld gaben.
    Letztlich war ich froh, dass ich nicht hingegangen bin. Charley berichtete mir

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