Die Shopping-Prinzessinnen
sondern zerrte mich auf die Passagierbrücke. Sperrgepäck, wütende Flugreisende und Stewardessen trudelten in unserem Kielwasser hinter uns her.
Mein Arm war inzwischen schon so lang wie ein ausgeleiertes Gummiband, trotzdem versuchte ich tapfer, die Leine im Griff zu behalten. »Brems dich, mein Junge!«, flüsterte ich. Aber wer konnte es ihm schon verübeln, dass er nach einem langweiligen Siebeneinhalb-Stunden-Flug dringend von Bord wollte? Ich hatte ja wenigstens noch mein Video-Tagebuch, meine To-do-Liste, meine Muss-ich-unbedingt-haben-Liste, meine Zukunftspläne und Sitznachbarn, die ich anquatschen konnte. Der arme Toy dagegen war bloß ein Hund.
Wir sausten die Passagierbrücke hoch. Ich versuchte, die Reisetasche festzuhalten, die gerade von meiner Schulter herunterrutschte, während ich mit
meinen Einkaufstüten, Modemagazinen und einem Becher Anti-Jetlag-Medizin durch die Menge jonglierte. Normalerweise macht mir solches Multitasking nichts aus, aber ich schätze, die Aufregung trug dazu bei, dass ich nicht ganz in Bestform zu sein schien.
Wir kurvten rasant durch die Passagiere, als doch noch das Unvermeidliche eintrat. Ohne Vorwarnung und ohne den Rest meines Körpers zu informieren, beschloss mein rechter Fuß, die Vorwärtsbewegung jäh einzustellen.
Und – plopp!
Einer meiner Absätze verfing sich in einer Schleife des abgetretenen Teppichs, ich stolperte und machte einen vollendeten Bauchplatscher. Mein feiner Smythson-Kalender, die Zeitschriften, die Jetlag-Medizin, mein Camcorder und ein halbes Dutzend Petits Fours (ganz zu schweigen von meinen aufgewühlten inneren Organen) segelten durch die Luft wie die berühmten Zirkusartisten Flying Wallendas.
Merke: Wenn du mit Toy unterwegs bist, darfst du nur Ballerinas tragen, aber auf keinen Fall Kitten Heels.
Alles war hin! Mein Video-Tagebuch, meine edlen Klamotten und vor allem mein Ego. Hilflos lag ich am Boden und hoffte nur, dass es kein Omen für die kommende Zeit war. Die Erinnerungen an das Schuh-Fiasko des letzten Sommers ließen mir noch immer kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen.
Toy hatte sich losgerissen und fegte vergnügt durch die Menge. Arglose Reisende verfingen sich in
seiner Leine und warfen mir böse Blicke zu, ehe sie wütend davonstolperten. Ich tat so, als merkte ich nichts. Mal ehrlich, warum sollte ich den Sommer mit einer Depri beginnen, ausgerechnet jetzt, wo mir ein neues Leben à la parisienne bevorstand. Schließlich weiß man doch, dass Weltschmerz bei den Pariserinnen schon lange nicht mehr in Mode ist. Und wenn es etwas gibt, was man über mich sagen kann, dann ist es wohl Folgendes: Ich bin absolut modebewusst.
Obwohl ich zugeben muss, dass ich selbst schuld an diesem Debakel war. Ich meine, ich hatte einfach Regel Nr. 22 der E-Mail-Etikette komplett ignoriert: Man darf auf keinen Fall seinen BFFs (Best Friends Forever) mailen, während man in Stilettos aus dem Flieger steigt und die historische Ankunft in Paris für das Video-Tagebuch dokumentiert.
Mit einem tiefen Seufzer sammelte ich meine Siebensachen ein und stopfte sie in meine Miss-Perfect-Tasche von Dolce. Einschließlich des Smythson-Kalenders. Der Kalender ist ein absolutes Muss, wisst ihr? Aus meinem Kalender vom letzten Jahr hätte ich glatt einen Roman machen können. Dabei bin ich keineswegs eine Jane Austen, aber als Teil meines Praktikums muss ich beim College einen ausführlichen Bericht über meine Erfahrungen einreichen. Diesen Sommer werde ich nicht nur über Modetrends schreiben und wie man sie vorhersagen kann, sondern auch über all die glorreichen Dinge, die ich so erlebe. Ich mach das nicht nur für die
Nachwelt (und für ein paar Extrapunkte von meinen Lehrern), sondern auch, weil sie so großartig sind, wie ich hoffe.
Als ich Toy wiederfand, war er gerade dabei, sich mit einer anderen französischen Bulldogge zu befreunden. Sie war schneeweiß und trug ein niedliches rosa Halsband. Daran hing eine ebenso rosa Leine und daran wiederum eine Besitzerin, die das Chaos offenbar gar nicht bemerkte, das ich gerade veranstaltet hatte.
Ich hatte durchaus daran gedacht, Toy zu Hause zu lassen. Aber dann hatte ich doch keine Lust, unseren alten Familiensitz aufzusuchen und mich dabei einem Kulturschock auszusetzen (so nützlich das vielleicht auch gewesen wäre). Außerdem konnte ich mir gar nicht vorstellen, einen ganzen Sommer ohne Toy zu verbringen. (Abgesehen davon, dass er meine Eltern insgeheim etwas langweilig
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