Die Siechenmagd
noch über den Krach, den das Hundeschlagen macht.
Von all seinen durchweg unangenehmen Tätigkeiten, an die er sich im Laufe von Jahrzehnten mehr oder weniger gewöhnt hat, ist ihm das Hundeschlagen die unliebsamste. In den Sommermonaten, der Zeit drohender Hundswut, darum auch die „Hundstage“ genannt, wimmelt es in der Stadt zuweilen von herrenlosen, umherstreunenden Hunden, die manchmal sogar die Stadtbürger bedrohen oder anfallen. Nimmt dies überhand, dann beauftragt die Stadt den Schundmummel, auf Hundejagd zu gehen. Diese böse Arbeit liegt dem Abdecker wenig, denn eigentlich hat er nichts gegen Tiere, im Gegenteil: Sie sind ihm lieber als die meisten seiner Mitmenschen. Normalerweise hat er auch lediglich mit dem Abtransport und der Entsorgung toter Tiere zu tun, gelegentlich muss er ein krankes Tier töten, was aber mit der Grausamkeit des Hundeschlagens nicht zu vergleichen ist. Unzählige Hunde hat er schon totschlagen müssen, aber es kostet ihn immer noch eine erhebliche Überwindung. Das jämmerliche Jaulen der Tiere geht ihm durch Mark und Bein und trotz der Aufbietung all seiner Abgebrühtheit, die er sich im Laufe vieler Dienstjahre hat zulegen müssen, um seine widerwärtigen Tätigkeiten überhaupt ausführen zu können, gelingt es ihm kaum, sich dagegen zu wappnen. Außerdem ist diese Arbeit von all seinen Aufgaben am schlechtesten bezahlt. Er erhält gerade mal zwei Heller pro Tier und darf das Fell behalten.
Edu beschließt, noch einmal die Neue Krame abzulaufen. Dort hat er vorhin etliche Streuner gesichtet. Jetzt allerdings sind sie wie vom Erdboden verschwunden, als hätten sie den Braten gerochen. Schlaue Viecher, denkt er und ist fast erleichtert über ihre Abwesenheit. Aber es hilft alles nichts, ein paar muss er schon noch erledigen, sonst sitzt ihm die Stadt wieder im Nacken.
Nahe der Peterskirche, am Gottesacker, kann er endlich einen Hund ausmachen. Er liegt ganz friedlich unter einer Linde und döst in der Mittagshitze. Edu schleicht sich heran und will gerade zum Schlag ansetzen, als das Tier zusammenzuckt und sich umgehend aufrichtet. Der große, schwarz-weiße Hund scheint die Bedrohlichkeit der Situation sogleich erfasst zu haben und duckt sich knurrend gegen den Angreifer, um in nächster Minute mit gefletschten Zähnen auf ihn zu zu springen. Der Abdecker drischt mit panischer Vehemenz auf den Hund ein, der sich in seinen linken Unterarm verbissen hat und zertrümmert ihm schließlich mit einem krachenden Schlag den Schädel. Schlaff fällt der große Hundekörper auf den Boden, im aufgerissenen Maul befinden sich noch blutige Stofffetzen von Edus Ärmel. Die tiefe, stark blutende Wunde schmerzt höllisch. Edu wird es kurzzeitig schwarz vor Augen und er setzt sich in den Schatten. Mit seiner unverletzten rechten Hand reißt er einen Stoffstreifen aus dem zerrissenen Ärmel und verbindet damit notdürftig die Bisswunde. Nach kurzer Zeit schon ist der Verband blutdurchtränkt und als er später den toten Hundekörper zum Karren schleppt, fühlt er sich so elend, dass er den Entschluss fasst, es für heute mit dem Hundeschlagen zu belassen und nach Hause zu fahren.
Gibt bestimmt noch ein Wetter, so wies heute stinkt, denkt Mäu, als eine Windböe über die schwarze, ölige Wasseroberfläche des Mainaltarms streicht. Normalerweise riecht sie ihn nicht mehr, den permanenten Gestank, der dem sumpfigen, brackigen Gelände hier draußen um den Abdeckerhof anhaftet wie ein Pesthauch. Nur wenn das Wetter umschlägt, steigt er ihr noch in die Nase.
Durch die zahlreichen An- und Vorbauten von Bretterverschlägen und Schuppen wirkt die Abdeckerei aus der Distanz betrachtet wie ein windschiefer, provisorischer Miniaturstadtteil. Es gibt keine direkte Nachbarschaft zur Wohnstatt der Abdeckerfamilie. Bis zum Galgenviertel sind es fast 15 Gehminuten, und zum städtischen Leprösenhospital, welches hinten am Feldrand zu sehen ist, sind es zehn Minuten Fußmarsch.
Dem unerträglichen Gestank in der Abdeckerregion will sich halt niemand aussetzen, weder die Friedlosen, noch die Aussätzigen. Der infernalische Kloakenbrodem, der durchsetzt ist von Aasgeruch, rührt daher, weil der Schundmummel hier in der Einöde um seine Wohnstatt die Exkremente aus den städtischen Abortgruben entsorgt und die Tierkadaver verscharrt.
Schon von weitem kann Mäu die dunkle Gestalt ihres Vaters ausmachen, der hektisch auf dem Hof hin- und herläuft. Inzwischen hat auch der Abdecker Mäu
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