Die Siechenmagd
daran, oder sie übersteht es und geht gereinigt daraus hervor.“
„Aber warum durchleidet sie es denn gerade jetzt, wo sie doch auf so wundersame Weise die arge Kerkerhaft überlebt hat und endlich in Freiheit ist?“, fragt Albert erbittert.
„Weil sie wahrscheinlich all die Jahre wie ein gehetztes Tier war, dauerhaft in Anspannung. Da war kein Platz und keine Zeit zum Leben oder Sterben. Erst jetzt, wo sie sich halbwegs in Sicherheit wähnen kann, ist es für sie soweit, und die längst fällige Krisis nimmt sich ihr Recht. Krankheit ist häufig nichts anderes als ein harter, schwerer Kampf, bei dem die Lebensgeister gegen das Vergehen zu kämpfen haben“, erwidert der Arzt.
„Ich will aber nicht, dass sie stirbt! Sie soll leben und endlich ein bisschen Glück erfahren. Das hat sie doch so sehr verdient.“
Albert schmiegt sich wieder an die Todkranke, fleht sie an, bei ihm zu bleiben, flüstert ihr zu, wie sehr er sie liebt.
„Recht so, mein Guter. Die Liebe ist das beste Heilmittel! Wenn unsere Kunst schon längst versagt hat, kann sie noch wahre Wunder bewirken“, erwidert der Arzt mit leiser Stimme, klopft Albert aufmunternd auf die Schulter und wendet sich zum Gehen.
Nach drei schweren Wochen ist Mäu endlich auf dem Wege der Besserung, die Prognose des Hospitalmeisters hat sich bewahrheitet, das Fieber und die schmerzhaften Koliken ebben nun langsam ab, aber die Rekonvaleszentin ist noch sehr entkräftet. Zum Aufstehen ist sie noch zu schwach und kraftlos. Es bedarf gehaltvoller Nahrung, um die Kranke wieder aufzubauen, die aber zur Schonung der stark geschädigten Verdauungsorgane keinesfalls zu schwer sein darf.
Albert betritt den Krankensaal, in den Händen eine Schale mit dampfender, wohlriechender Hühnerbrühe, die er der Genesenden kredenzen möchte. Mäu lächelt bei seinem Anblick und verspeist die Brühe mit gutem Appetit. Die beiden unterhalten sich leise, dann schweigen sie wieder, halten einander die Hand und wirken auf eine stille Art überaus glücklich.
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