Die Signatur des Mörders - Roman
Seite. Und eine Stimme.
»Helfen Sie mir!«, rief er, ohne zu wissen, ob der andere ihn verstand und er ihn. Dennoch presste er das Ohr an die Tür, bis er schließlich begann, wieder und wieder mit dem Kopf dagegenzuschlagen.
41
Die U-Bahnen wurden angehalten, der Tunnel gesperrt. Die Fahrgäste saßen voller Ungeduld auf ihren Sitzen und hofften, die Fahrt möge weitergehen. Myriam hörte Menschen auf dem Bahnsteig sagen, irgendwo habe sich wieder so ein Verrückter vor den Zug geworfen. Ob dieser Irre - wenn er sich schon das Leben nahm - dies nicht in aller Bescheidenheit im stillen Kämmerchen hätte machen können, wie es sich gehörte. Gift, ein Schuss in den Mund, es gab so viele Möglichkeiten. Stattdessen legte er die ganze Stadt lahm, verdarb ihnen den Feierabend und machte zusätzlich den Lokführer für das ganze Leben unglücklich.
Henri war noch immer nicht zu erreichen, eine Tatsache, die Myriam in einen Zustand von Panik versetzte, den sie kaum unterdrücken konnte. Er hatte ihr aufmerksam zugehört, und sie ihm nicht. Sie hatte ihn nie wirklich ernst genommen, erkannte sie. Weil sie sich selbst so verdammt wichtig vorkam. Und Hillmer hatte ihr gezeigt, dass sie genau das nicht war. Sie war nicht einmal ein Kieselstein. Sie war Sand im Getriebe.
Sie hörte nicht zu, als Ron, der versuchte, die Aktivitäten des mobilen Einsatzkommandos zu koordinieren, sie überreden wollte, auf dem Bahnsteig zu bleiben und auf Henri zu warten. Irgendwann würde dieser die Nachrichten abhören und herkommen. Ihr Verstand gab Ron recht. Ihr Herz sagte etwas anderes. Es hatte sich gerade in letzter Zeit als schlechter Ratgeber erwiesen, und nun war eventuell der ungünstigste Zeitpunkt, ihrer Intuition erneut zu vertrauen, aber ihr Gespür führte sie zu einer anderen Entscheidung.
Der U-Bahn-Angestellte zeigte Ron anhand des Plans, wo sich der ehemalige Rettungsraum befand, dessen Schlüssel vor kurzem bei einem Raubüberfall gestohlen worden war. Niemand wusste, woher plötzlich die Presse kam. Sie rannten die Treppen hinunter, ohne die Absperrung der Polizei zu beachten.
»Verdammt, woher wissen die …?«, rief Ron.
»Lass uns gehen«, sagte Myriam.
»Uns?«
»Ich bleibe nicht hier und warte.«
»Ich lasse in keinem Fall zu …« Rons Gesicht war bleich.
Myriam ignorierte ihn, und als er sich nicht in Bewegung setzte, ging sie einfach voraus.
Im Tunnel war es kalt und klamm. Es roch nach den Abgasen der Stadt. Das Atmen fiel schwer.
Ron überholte Myriam nach wenigen Metern und drückte ihr eine Taschenlampe in die Hand. Sie drängte sich nervös an die kalte Betonwand, in der Erwartung, die U-Bahn könne jeden Moment vorbeirauschen und sie in ihrem Sog mitreißen. Es kommt keine Bahn, beschwichtigte sie sich. Sie haben den Betrieb gestoppt.
Der Gedanke beruhigte sie nicht. Dennoch folgte sie unbeirrt dem Lichtkegel der Taschenlampe, die gegen die Dunkelheit, die sie nach wenigen Schritten empfing, nur wenig ausrichten konnte.
Direkt vor ihr rauschte Rons Funkgerät. Sie hörte ihn leise sprechen und rief mit gedämpfter Stimme: »Was ist?«
Er antwortete nicht. Sie wurde unwillkürlich schneller und erkannte seinen Schatten wenige Meter vor sich.
»Was ist los?«, fragte sie erneut.
Er blieb stehen: »Alex, er wurde gefunden und ins Krankenhaus gebracht.«
»Wie weit ist es noch?«, wollte sie wissen.
»Noch rund 900 Meter. Pass auf, dass du nicht ausrutschst«, warnte Ron. »Der Steg hier ist feucht und glatt. Und du hast die falschen Schuhe an.« Seine Stimme hallte unnatürlich verzerrt an den Tunnelwänden wieder.
Schweigend gingen sie weiter, nach wenigen Metern konnte sie seine Gestalt schon nicht mehr erkennen. Beruhigt registrierte Myriam hinter sich die bedächtigen Schritte der Streifenbeamten, die folgten. 900 Meter. Sie konnte sich darunter nichts vorstellen. Dann erinnerte sie sich, wie sie als Kinder die Meter mit Schritten geschätzt hatten: Ein großer Schritt - ein Meter, 900 Schritte - 900 Meter. Fast ein Kilometer Weg lag vor ihr.
Nach 250 Schritten merkte sie, dass sie sich verzählt hatte. Sie konnte nicht gleichzeitig auf den Weg achten und zählen. Sie begann von neuem. Eins, zwei, drei …
Nach weiteren 100 Schritten flackerte ihre Taschenlampe. Sie schüttelte sie leicht, bis sie endgültig erlosch. Es überraschte sie nicht. 50 Schritte weiter hatten sich ihre Augen noch immer nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Sie rief leise nach Ron, doch er antwortete
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