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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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der sie hätte heilen sollen, gezielt gefördert worden. Romulus brauchte jemanden, der ihm den Kopf wieder zurechtrückte, ja, doch nicht durch Vorwürfe, sondern durch geduldige Liebe.
    Also schluckte Remus seinen Groll hinunter, genauso wie die Übelkeit, die ihn jedesmal überfiel, wenn er an den Kuß dachte, den er hatte mit ansehen müssen. Es war ein Glück, daß sie verschwunden zu sein schien; er glaubte nicht, daß er mit ihr hätte sprechen können, ohne auszuspeien oder sich mit einem Würgen in der Kehle zu fragen, ob sie geplant hatte, ihn genauso krank zu machen wie Romulus. Ob es auch ein Glück war, daß Romulus nicht mit ihm über alles sprechen wollte, wußte er nicht. Einerseits wollte er wirklich nichts mehr hören, andererseits täte es Romulus gewiß gut. Doch Romulus hatte sich nach seinem Zusammenbruch in brütendes Schweigen gehüllt. Es war an Remus, ihren Gefolgsleuten zu erklären, warum sie nicht in Alba einziehen würden, und trotz all seiner Bemühungen kam es zu beträchtlichem Gemurre und einigen Prügeleien mit Stadtbewohnern und Kriegern aus Tarchna, bis Romulus seine stummen Grübeleien lange genug beendete, um mit den Männern zu reden.
    Was er sagte, war nicht viel. Alba sei eine Tusci-Stadt, und wenn sie hierblieben, so würden sie zu Tusci, weich, ständig unter den Schatten ihrer Zaubereien und Götter geduckt, reif für den nächsten Eroberer. Er hingegen habe vor, nun, da ihnen kein Tusci-Fürst mehr im Genick sitze und sie genug Entschädigung erhalten würden, um drei Dörfer damit zu versorgen, eine neue Stadt zu gründen, eine Stadt für freie Männer, Latiner, keinem der Tusci-Könige abgabepflichtig, eine Freistatt für alle, die von den Tusci ausgebeutet und unterdrückt würden. Wer an diesem Ziel mitarbeiten wolle, dürfe ihn begleiten.
    Zu Remus’ größter Verwunderung fragte kein einziger ihrer Männer, warum sie sich dann die Fehde mit Amulius überhaupt erst eingebrockt hatten. Nein, sie nickten beifällig, und einige jubelten Romulus zu. Krank oder nicht, Romulus hatte die Gabe, mit bloßen Worten den Dingen eine andere Gestalt zu geben. Außerdem waren die Latiner nicht die einzigen Menschen, die ihm zujubelten. Nachdem sich in der Stadt herumgesprochen hatte, daß sie abziehen würden, daß Romulus ohne jeden Gedanken an sein eigenes Wohl gekämpft hatte, raunte man überall von dem Halbgott, der gekommen war, um altes Unrecht zu sühnen und die Geschicke Albas zum Besseren zu wenden. Niemand schien sich daran zu erinnern, daß Numitor kein beliebter König gewesen war; jetzt war er nicht mehr ein Herrscher, der sich seiner Pflicht, für das Volk zu sterben, entzogen hatte, sondern ein vom Schicksal geschlagener alter Mann, dessen Enkel ihm endlich zu seinem Recht verholfen hatte. Und er, Remus, war der Bruder des Erlösers. Nicht mehr, nicht weniger.
    Zu allem anderen lud ihm Romulus auch noch die Aufgabe auf, dafür zu sorgen, daß die Priesterschaften das vereinbarte Gerät und Vieh herausrückten. »Du kennst schließlich die Priester. Du bist mit ihnen aufgewachsen«, sagte er in der gleichen scharfen Art, in der er jetzt ständig mit ihm redete.
    Remus lag es auf der Zunge, darauf hinzuweisen, daß es Romulus gewesen war, der diese Vereinbarungen hinter ihrer aller Rücken getroffen hatte, und daß er, Remus, froh sein würde, nie mehr in seinem Leben einen Priester zu sehen, doch er schluckte auch dies, hielt sich ein weiteres Mal die Notwendigkeit, Romulus unbedingte Unterstützung zu zeigen, vor Augen und gehorchte.
    Die Hohepriesterin Fasti fragte ihn genau wie die anderen zuerst nach seiner Mutter, und als er zähneknirschend antwortete, er habe sie seit dem Todestag des Königs nicht mehr gesehen, trug sie die gleiche zutiefst beunruhigte Miene wie alle anderen Priester zur Schau. Nur seine Ehrfurcht vor dem Alter hielt ihn davor zurück, seinem innersten Wunsch nachzugeben, sie zu schütteln und anzubrüllen, das sei alles ihre Schuld, sie habe das Unheil ausgebrütet, das seinen Bruder und ihn jetzt zerfraß.
    Romulus fragte nicht nach ihr. Nicht ein einziges Mal. Und er weigerte sich immer noch beharrlich, mit Remus über etwas zu sprechen, das mit ihr zusammenhing.
    Neben der Organisation von Karren und Vieh fiel Remus noch eine weitere Aufgabe zu. Die Tochter des verstorbenen Amulius, die Frau namens Antho, von der Romulus und seine Mutter kurz gesprochen hatten, tauchte bereits am Tag nach der Verbrennung ihres Vaters mit rotgeweinten

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