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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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manchmal deutlicher werden und den Rest unkenntlich machen. Oft schlagen die Patienten deswegen Lärm. Immer wieder wird der Zivildienstleistende aufs Dach geschickt, um die Antenne zu verstellen und das Bild zu regulieren. Die Verbesserungen sind minimal, aber die Patienten beruhigen sich für eine Weile, sie haben das Gefühl, daß man sich für sie einsetzt, sich um sie bemüht, daß etwas geschieht.
    Die Nächte unterscheiden sich durch die Träume. Die Tage sind gleich.
    Nichts hat sich verändert, schon ist wieder Nacht. Ich ziehe mir die Schuhe an und hänge mir den Arztkittel über den Schlafanzug.
    Ich durchquere den Speisesaal auf leisen Sohlen. Auch nachts, wenn niemand da ist, riecht es noch nach verschwitzten Trainingsjacken. Die Insassen tragen viel Sportkleidung, als handele es sich hier um ein Ferienlager, womöglich ein Trainingslager. Sie tragen bequeme Kleidung, die den Körper nicht einengt, wohl weil der Körper in diesen Mauern eingeengt genug ist, er wird betreut, beschützt, kontrolliert, er stößt an die Grenzen eines geregelten Ablaufs, den andere festlegen.
    Neben dem Speisesaal liegt das Billardzimmer. Ehemals das Ankleidezimmer der Gräfin, hängt hier jetzt eine Garderobe aus dünnen Metallstangen an der Wand, Haken und Hutablage in funktionaler Schlichtheit, niemand hat sie jemals benutzt. Das Billardzimmer ist unbeliebt, hierhin zieht der Hauch der Sanitäranlagen, die seit Jahrzehnten nicht erneuert worden sind, deren Kabinen sich nicht abschließen lassen, in deren Rohren die Gerüche der vergangenen Jahre gespeichert scheinen. Die Sanitäranlagen werden weiterhin benutzt, das Billardzimmer meidet man. Nur der Zivildienstleistende kommt gelegentlich hierher, stößt eine Billardkugel über das Tuch, setztsich auf den Stuhl neben der Yuccapalme, um der Gesellschaft der Patienten für eine Weile zu entfliehen.
    Die allgemeinen Räume gehen ineinander über, sie sind allesamt Durchgangszimmer, die man in einem Kreis durchschreiten kann. Ich betrete das Billardzimmer und verlasse es, ich erreiche die Bibliothek, drei karge Regale in einem Saal. Blanke Fangarme wehen über meinem Kopf. Der Kronleuchter hängt hier nicht in der Mitte des Zimmers unter der Stuckrosette, sondern ein Stück versetzt, so daß er die Leseecke ausleuchtet. Aus dem Rosettenherz führt ein Kabel an der Decke entlang und senkt die Lampe mit ihren geschliffenen Glastropfen wie eine leuchtende Kronenqualle in den Raum, eine Qualle, deren harte Glastentakel mit einem schütteren Klirren aneinanderstoßen, wenn jemand die Tür aufreißt. Es ist ein einfacher Luftzug, der den spätbarocken Lüster bewegt, aber mir kommt es vor wie ein Beben, die stumme Erregung, die jeder menschliche Körper für gewöhnlich in sich selbst verschließt und die die Gegenstände an diesem Ort aufnehmen, als herrsche hier Sturm.
    Nachts stehe ich mindestens einmal auf und geistere durch die verlassenen Säle. Ich schalte die Lampen an und aus, ich setze die Füße vorsichtig auf, um kein Geräusch zu verursachen. Eine peinigende Unruhe treibt mich um. Als müsse ich der Versehrtheit nachgehen, die sich in diesen Räumen hält. Eine Versehrtheit, die ich nicht fassen kann, die zu fassen ich aber, seit ich hier bin, für meine Aufgabe halte.
    Der Kristallüster in der Bibliothek ist eines der wenigen beweglichen Inventarstücke, die die Kriege, Besatzungen, Plünderungen, Ausverkäufe unbeschadet überstanden haben. Die Vasensammlung ist erst später hierhin umgelagert und vergessen worden. Die schloßeigenen wertvollen Möbelstücke, Polsterstühle, Rokoko-Anrichten, Marmortischchen, Intarsienschränke befinden sich in Rußland. Ich imaginiere allnächtlichdie fehlenden Teile, es fühlt sich fade und falsch an, es entwertet die Dinge, die da sind.
    Ich mache die Runde, ich kehre in mein Zimmer zurück, hänge den Kittel an den Haken auf dem Türblatt, stelle die Schuhe unters Bett, lege mich wieder hin.
    Bei meinem Einzug saßen große Kreuzspinnen zwischen den Doppelfenstern meines Zimmers. Ihre Radnetze spannten sich zwischen den Rahmen, sie waren von berückender Schönheit, von einem filigranen Gleichmaß wie das hauchdünne Porzellan im chinesischen Kabinett. Ich wagte nicht, mich zu rühren, ich stand, meinen Koffer noch an der Hand, versteinert in der Tür, während die Pflegerin, die mich begleitete, energisch vortrat, die Fenster umstandslos öffnete, eine Spinne nach der anderen in ihre hohlen Hände nahm und behutsam nach

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