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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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wartete auf mich, etwa dort, wo zu Beginn Odilos Mutter gestanden hatte.
    Ich möge sie mitnehmen, verlangte sie, zu meinem Erstaunen in einem Ton, als habe sie alles Recht der Welt, in diesem Moment Forderungen zu stellen, als sei sie von uns beiden die Hauptleidtragende und nicht ich. Mein Erstaunen über ihren fordernden Ton verdeckte zunächst mein Erstaunen darüber, sie überhaupt hier anzutreffen. Erst als wir im Auto saßen, begann ich mich darüber zu wundern, daß sie der Beerdigung meines Freundes beigewohnt hatte. Daß ich sie während der gesamten Zeremonie nicht bemerkt hatte. Daß sie mich offenbar durchaus bemerkt und mich am Ende abgepaßt, aber während der Bestattung meine Nähe nicht gesucht hatte. Um mich in meiner Trauer nicht zu stören? Üblicherweise hielt man seinem Bruder, wenn man schon da war, bei solchen Gelegenheiten die Hand.
    Mila neben mir auf dem Beifahrersitz krallte die Finger um den Sicherheitsgurt an ihrer Schulter. Dabei traten ihre Knöchel weiß hervor, sie strangulierte den Gurt. Kurz vor der Kreuzung, an der sie sich entscheiden mußte, ob ich sie zum Bahnhof oder zu unseren Eltern bringen sollte, hob ich fragend die Brauen.
    Fahr mich nach Hause, sagte sie.
    Mila lebte in Berlin, wir allerdings befanden uns in einem Vorort von Köln.
    Etwas in ihrem Ton hinderte mich, auch nur eine Frage zu stellen. Mila war die Jüngere von uns beiden, sie hat meine Rolle als älterer Bruder, klüger, erfahrener, niemals in Frage gestellt, im Gegenteil hat sie mich bewundert, obwohl ich nicht hübsch war wie sie, nicht sportlich, nicht im jugendlichen Sinne imposant. Ich war dicklich, vorlaut, ein Eigenbrötler, sie aber hat meine Schwächen nicht gegen mich verwendet, und sie hat es nie für sich ausgenutzt, daß ich sie vergötterte.
    Ich fuhr Richtung Autobahn, ich stellte keine Frage, ich rief die Eltern nicht an, mit denen ich den Abend hatte verbringen wollen, ich rechnete mir selbstbetrügerisch aus, daß ich nachts gegen eins zurück sein konnte.
    Wir hatten die Trauerfeier als erste verlassen. Wir waren im Pulk der Gäste zum Tor geschwemmt worden, dort hatten wir uns abgesetzt, ich für meinen Teil, ohne mich zu verabschieden, was mir unangenehm war, da Frau Leonberger auf Etikette Wert legte, während die anderen sich auf die schwarzen Wagen verteilten und zu einem nahegelegenen Restaurant fuhren,in das auch ich eingeladen worden war, um dort ein Menü zu mir zu nehmen, das ich später erlesen hätte nennen können, wenn ich Lust gehabt hätte, meiner Chefin von meinem Wochenende zu berichten.

3 Tapeten eines Lebens
    Wer von einer Beerdigung kommt, sieht überall Särge.
    Wir fuhren durch das erzbischöfliche Köln. Durch das römische Köln, durch das kölsche Köln. Im Innenstadtbereich wurden Kisten umherkutschiert. Ich überholte einen Schrank, der auf offener Ladefläche fuhr. Neben uns an der Ampel hielt ein Transporter mit polnischer Aufschrift, durchgestrichene Ls, zungenbrecherische CZs, für mich keinerlei Hinweis, worin die Ladung bestand. Rostige Waggons eines Güterzugs glitten über den Rhein. Hartnäckig verschlossene Kisten bewegten sich im Straßennetz, Kisten, die sich zu Ketten aneinanderreihten, die sich in langen Prozessionen voranbewegten, sich über die Fahrspuren schlängelten, abrissen und sich neu verbanden.
    Schon am Mittag überfüllte Abfallkörbe, ein Stapel Pappkartons vor einer Altpapiertonne, ein Koffer, aus dem Kleidung quoll. Verworfene Geschenke, verschnürte Fetische, Reliquien in ihren Behältern. Mieter hockten in ihren Raumkapseln, Flaschen fielen in Glascontainer, Postsendungen in Briefkästen, minimalistische Verstecke.
    Auch wir fuhren in einer solchen beklemmenden Kiste, von der wir uns Halt versprachen und Sicherheit.
    Ich war in eigenartiger Verfassung, ich wollte auf keinen Fall, daß Mila es bemerkte, die wohl ebenfalls in eigenartiger Verfassung war, sie sprach nicht, sie starrte geradeaus, Kistenträume. Odilo war mein erster Toter, nicht der erste Verstorbene, den ich gekannt hatte, aber der erste Verstorbene in meinem Alter, erst jetzt, sagte ich mir, war in meinem Leben ein Einschnitt gemacht, der erste Tote aus meiner Generation, esmußte mich daher betreffen, mir Mahnung sein oder Stimulans. Natürlich kam mir mein Leben verfehlt vor, so gehörte es sich nach einer Beerdigung, Rückschau und Buße, natürlich fühlte ich mich verdammt dazu, ein enttäuschender Inhalt in einer enttäuschenden Verpackung zu sein.
    Ich hatte

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