Die Spur der Hebamme
werden sollte, fand er durch Ränke den Tod.«
Diese Nachricht erschütterte viele der Festgäste, die den höflichen, stets diensteifrigen Neffen des Meißner Markgrafen in guter Erinnerung hatten. Sie schlugen ein Kreuz und begannen gemeinsam zu beten. Mechthild wischte sich über die Augen.
»Gedenken wir der Ritter Richard und Gero und derer, die verraten wurden und ihr Leben ließen, damit es den Männern und Burschen hier erspart bleibt, in den Krieg ziehen zu müssen. Sie haben ihr Leben gegeben, um euch zu schützen.«
Gemeinsam sprachen die Dorfbewohner ein Gebet auch für diese Toten.
Christian sah zu Marthe, dann zu Lukas. Nur sie allein wussten, was in den letzten Wochen alles geschehen war. Und nur sie konnten erahnen, was in der nächsten Zeit auf sie alle zukommen würde.
Auf Lukas konnte er zählen.
Aber ob Marthe dafür genug Kraft aufbringen würde? Ob sie jeihr Lachen wiederfinden würde, das sie nach dem durchlebten Grauen verloren hatte?
Sein Blick wanderte über die Dorfbewohner. Er entdeckte Jonas und Emma, die ihm zulächelten, Karl, der schützend seinen Arm um Agnes gelegt hatte, Kuno und Bertram, die zu allem bereit in der Nähe standen, den Bergmeister und seine Vertrauten, die beiden Fuhrleute, die mit Bertha scherzten. Einer von Peters Freunden flüsterte Lukas gerade etwas zu, vielleicht eine Botschaft von Kathrein, die ihn erwartete.
Der Dorfschulze hatte sich bezeichnenderweise entschuldigen lassen, da er krank sei. »Schlechtes Gewissen, ganz sicher schwer ansteckend«, hatte Lukas mit seinem typisch frechen Grinsen geraunt, als sie die Nachricht erhielten.
Und auch der Pater war nicht zu sehen. Wer weiß, ob er nicht irgendwo in der Nähe steckte und alles heimlich beobachtete. Irgendwann würden sie alle wieder aus ihren Löchern gekrochen kommen, alte und neue Feinde, Feiglinge, Verräter und Heuchler.
Und morgen schon musste er sich mit den Rittern auseinandersetzen, die Randolf in Dienst genommen hatte und von denen einige bereits im Burglehen wohnten – ob sie ihm Treue schworen oder den Dienst aufkündigten.
Doch heute wollte er mit seinen Freunden feiern.
Christian hob erneut seinen Becher. »Jeder von uns ist hierhergezogen, um sich ein besseres Leben aufzubauen. Wir wussten alle, der Weg ist voller Gefahren und nicht leicht. Ob es uns gelingt, liegt zuallererst an uns, an jedem Einzelnen von euch.« Er blickte fest auf die Menschen vor sich.
»Ich schwöre euch, für Gerechtigkeit zu sorgen. Lasst uns heute gemeinsam feiern und der Toten gedenken. Morgen aber beginnen wir von neuem, das zu verwirklichen, was wir uns erträumt und gewünscht haben.«
Die Dorfbewohner brachten Hochrufe aus und tranken ihm zu.
Christian setzte sich und ließ seinen Blick erneut über die Dorfbewohner schweifen. Er atmete tief durch. Einmal, zweimal. Hatte er zu viel versprochen? Die Verantwortung für all die Menschen lastete schwer auf seinen Schultern.
Marthe sah ihn stumm an, dann griff sie nach seiner Hand und drückte sie verstohlen. Er blickte zu ihr, und sie lächelte wissend zurück.
Epilog
Januar 1176 in Chiavenna
W ochenlang war Christian unterwegs gewesen, hatte sich den Weg durch die verschneite Landschaft Bayerns und über die im Winter kaum passierbaren Alpenpässe gebahnt. Nun endlich lag sein Ziel vor ihm: Das Städtchen Chiavenna, an der Straße nach Italien gelegen, das dem Bischof von Como gehörte und wo der Kaiser sein Lager aufgeschlagen hatte, um sich hier mit Heinrich dem Löwen zu treffen.
Staunend ließ Christian seine Blicke über die fremdartige, sonnenbeschienene Landschaft schweifen, die Palmen und anderen Pflanzen, die er bisher nur von Malereien in großen Kirchen kannte. Wie würde sich Marthe freuen, das zu sehen, dachte er bei sich, während er den erschöpften Rappen über das letzte Stück Weg lenkte. Doch abgesehen davon, wie heikel der Auftrag war, mit dem ihn Otto ausgesandt hatte, konnte sie ihn auch wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht begleiten.
Vielleicht bin ich inzwischen schon zum dritten Mal Vater geworden, dachte Christian voller Vorfreude und sprach ein stilles Gebet, dass Marthe die Entbindung heil überstand und das Kind gesund war, ganz gleich, ob Sohn oder Tochter. Marthe, die sonst so sicher war mit ihren Vorhersagen, ob es ein Mädchen oder ein Junge würde, hatte sich diesmal geweigert, das Geheimnis zu lüften.
Der Weg zur Residenz des Kaisers war nicht zu verfehlen; eine große Koppel mit Hunderten
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