Die Staatsanwältin - Thriller
behutsam zur Seite. »Das ist mein Haus.«
An der Tür blieb er stehen – im Raum lagen überall medizinische Geräte verstreut. Polizisten machten Fotos und wuselten geschäftig durcheinander, als sei das hier ein Tatort. Mindestens ein halbes Dutzend Leute erstarrten und sahen ihn an.
»Ich muss einen Augenblick mit meiner Frau allein sein.«
Die Polizisten und Sanitäter sahen einander an, und ein ranghöherer Polizist nickte. »Bitte bringen Sie nichts durcheinander«, sagte er. »Es ist nur Routine, aber wir brauchen alles genauso, wie wir es vorgefunden haben.« Die Leute gingen, ohne die Tür zu schließen. Zwei von ihnen blieben an der Tür stehen, in ein beiläufiges Gespräch verwickelt. Caleb wusste, sie beobachteten ihn.
Er ging zu seiner Frau und zog ihr Nachthemd hinunter, um ihren nackten Körper wieder zu bedecken. Er zog die Daunendecke vom Bett und legte sie über sie, steckte sie um ihre Schultern und unter ihren Füßen fest. Er strich ihr die Haare aus dem Gesicht und war erschrocken, wie sehr sie sich schon verändert hatte. Die Blässe. Der leblose Blick. Der Mund stand offen und sah aus wie ein angestrengter letzter Atemzug. Die Sanitäter hatten die Schläuche schon entfernt.
Er dachte an die Fotos, die die Polizisten gemacht hatten, und er wusste, dass sie weitergegeben und die Runde im Internet machen würden. Aber dagegen konnte er jetzt nichts tun.
Rikki Tate, die Frau des berühmten Strafverteidigers Caleb Tate. Im Leben ein Showgirl. Sie würde auch im Tod ein Showgirl sein.
Caleb spürte eine Hand auf seiner Schulter. »Es tut mir leid, Mr Tate, aber wir müssen Ihnen noch ein paar Fragen stellen.«
Caleb stand auf und erwiderte den Blick des Polizisten. Er konnte sich nicht an den Namen des Mannes erinnern, aber er hatte ihn schon mindestens ein oder zwei Mal im Kreuzverhör befragt. Jetzt war es genau umgekehrt.
Caleb war realistisch. Er wusste, dass er Feinde auf jeder Stufe der Strafverfolgungsbehörden in Atlanta hatte. Und er wusste auch, dass er, sobald die Autopsieergebnisse vorlagen, ihr erster und einziger Verdächtiger sein würde.
Caleb würde in vollem Umfang kooperieren. Er folgte dem Polizisten in den Flur und die Treppe hinunter ins Esszimmer. Er beantwortete alle Fragen, kämpfte gegen Benommenheit und Erschöpfung, während die Ereignisse der Nacht langsam in sein Bewusstsein drangen. Rikki war tot, und sie würde nicht zurückkommen. So jung. So viel Potenzial. So wild entschlossen, etwas aus ihrem Leben zu machen. So begeistert für ihren neu entdeckten Glauben.
Nichts davon zählte mehr. Es würde alles untergehen im Strudel der Gerüchte um die Drogen, die sie in ihrem Körper finden würden. Es war eine amerikanische Leidensgeschichte – schlicht und einfach.
Marilyn Monroe. Anna Nicole Smith. Und jetzt Rikki Tate.
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1
Den vierten Tag hintereinander ging ich durch die gewundenen Flure des Piedmont Hospitals, meine Absätze klapperten auf dem Fliesenboden. Ich hatte mich mit der Zeit an den antiseptischen Geruch gewöhnt und an die langsamen, schwerfälligen Aufzüge, die mich in den dritten Stock brachten. Vor dem Zimmer meines Vaters spritzte ich mir ein bisschen Desinfektionsmittel auf die Hände, genau wie ich es ein paar Minuten zuvor getan hatte, als ich das Krankenhaus betreten hatte. Es war so etwas wie ein Ritual geworden.
Es war keine Krankenschwester im Zimmer meines Vaters, kein Anzeichen von etwas, das nach Leben aussah.
Mein Name ist Jamie Brock. Staatsanwältin in Milton County. Single, fleißig, keine Zeit für das männliche Geschlecht, abgesehen von meinem Vater, meinem schwarzen Labrador und den dreiundachtzig Angeklagten, die ich hinter Gitter zu bringen versuche.
Aber in diesem Moment, als ich mir einen Stuhl ans Bett meines Vaters zog und eine Hand auf seinen Unterarm legte, war ich außerdem Jamie Brock, Tochter meines Vaters.
Und mit achtundzwanzig Jahren sollte ich bald Waise sein.
Mein Vater hatte seit seinem zweiten Schlaganfall vor vier Tagen nicht mehr gesprochen. Der erste Schlaganfall hatte ihn in einen Mann verwandelt, den ich nicht wiedererkannte. Der scharfe Verstand und sein beißender Witz waren verschwunden, und an ihre Stelle war eine zerbrechliche und verwirrte Person getreten, die aussah wie mein Vater, aber Schwierigkeiten mit komplexen Sachverhalten hatte. Manchmal erkannte er nicht einmal Familie und Freunde. Seit dem zweiten Schlaganfall vegetierte er nur noch dahin. Er lag
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