Die Staatsanwältin - Thriller
seit vier Tagen hier im selben Bett, an dieselben Maschinen angeschlossen, dieselben Krankenschwestern und Ärzte kümmerten sich um ihn. Sein behandelnder Arzt, ein kompetenter indischstämmiger Arzt namens Kumar Guptara, hatte mir gesagt, mein Vater werde sich nicht mehr erholen. Mich nie wieder beruhigend in den Arm nehmen. Seine Augen würden nicht mehr aufgehen und beim Anblick seiner einzigen Tochter leuchten. Er würde mir nie wieder sagen, dass er mich liebte.
Trotz Guptaras Pessimismus, den auch jeder andere Arzt teilte, den wir konsultiert hatten, hatte ich noch die vage Hoffnung, dass mein Vater eines Tages aufwachen und sich von den Maschinen lösen würde, sein Krankenhausnachthemd gegen seine eigenen Kleider tauschte und den Raum verließ, obwohl die Krankenschwestern ihm nachriefen, er solle hierbleiben. Mein Vater war ein Kämpfer. Diese Eigenschaft hatte ich von ihm geerbt.
Mein Bruder wollte die Geräte abschalten. Aber mein Dad, wie die meisten Anwälte, hatte sich um seine Mandanten gekümmert, bevor er sich um sich selbst gekümmert hatte. Er besaß keine Patientenverfügung, und die Ärzte waren nicht bereit, die Nabelschnur zu den Maschinen zu durchtrennen, solange die Kinder sich nicht einig waren. Vor allem, wenn eines der Kinder Anwältin war.
Und so streichelte ich seinen Unterarm und versuchte zu ignorieren, dass er vor meinen Augen verfiel, immer dünner wurde, obwohl er künstlich ernährt wurde, und man förmlich zusehen konnte, wie seine haarigen Arme trocken und spröde wurden.
»Hey Dad, ich bin's, Jamie. Sie sagen, du kannst mich nicht hören, aber wer weiß das schon sicher – stimmt's?« Der Raum war still, die Maschinen pochten rhythmisch, die Brust meines Vaters hob und senkte sich langsam.
Ich senkte die Stimme. »Noch vier Tage, Dad. Kannst du noch vier Tage durchhalten?«
Nach elf Jahren Berufungen sagten die Experten, diesmal wäre es endlich soweit. Antoine Marshall, der Mann, der drei Monate nach meinem sechzehnten Geburtstag in unser Haus eingebrochen war und meine Mutter getötet hatte, sollte die Todesspritze bekommen.
In dieser Nacht damals hatte er auch meinen Vater angeschossen und sterbend liegen lassen. Mein Dad hatte anderthalb Liter Blut verloren, aber überlebt und gegen ihn ausgesagt. Wie konnte ich ihn dann jetzt sterben lassen?
»Wir erwarten die Laborergebnisse für Rikki Tate für morgen«, erzählte ich meinem Dad. Ich berichtete ihm jeden Tag von dem Fall. Rikki war vor dem zweiten Schlaganfall meines Vaters gestorben, und wir wussten beide, dass an diesem Tod etwas faul war. »Caleb Tate redet sich schonheraus. Sagt, er habe von Rikkis Medikamentensucht gewusst, habe sie aber nicht davon abhalten können.«
Ich beugte mich dichter an sein Ohr. »Du hattest recht, Dad. Er hat sie vergiftet. Das kann ich riechen.«
Caleb Tate hatte Antoine Marshall in seinem Prozess vertreten. Ich würde den Tag nie vergessen, als er meinen Vater ins Kreuzverhör genommen hatte, den einzigen Augenzeugen des Verbrechens. Dad war ein großartiger Anwalt, aber es stimmt, was man sagt: Die besten Anwälte geben die schlechtesten Zeugen ab. Es war schmerzhaft gewesen, zusehen zu müssen, wie Tate die Zeugenaussage meines Vaters Stück für Stück auseinandergenommen hatte. Wäre Richterin Snowden nicht gewesen – die Jury hätte Marshall womöglich freigesprochen.
Ich nahm die Hand meines Vaters zwischen meine Hände. »Ich werde Caleb Tate festnageln«, versprach ich ihm. Antoine Marshall und Caleb Tate waren dafür verantwortlich, dass mein Vater hier lag. Er hatte die Schießerei überlebt, sich aber psychisch nie ganz erholt. Sie waren außerdem der Grund, warum ich seit drei Jahren bei der Staatsanwaltschaft arbeitete und noch in keinem Fall einen Vergleich geschlossen hatte. Selbst jetzt, als ich in das bleiche Gesicht meines Vaters blickte und ihm die grauen Haare aus der Stirn strich, fraß die Bitterkeit an meiner Seele wie der Krebs.
Mein Traum war, Caleb Tate innerhalb von dreißig Tagen nach der Hinrichtung seines ehemaligen Mandanten anzuklagen.
Mein Vater würde nicht dabei sein und sehen, wie seine Tochter das Andenken einer Frau rächte, die wir beide geliebt hatten. Aber ich würde es tun, um das Andenken meines Vaters zu ehren. Und ich würde es auf das Grab meiner Mutter schwören.
Zu Hause wartete ich an diesem Abend mit einer Mischung aus Vorahnung und Ekel auf den aktuellen Fernsehbericht über Antoine Marshalls Berufung. Ein Kollege aus
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