Jordan, Penny
1. KAPITEL
M ehr als in jeder anderen Stadt der Welt gibt es wohl in London Straßen, deren Namen man automatisch mit Geld und Macht verbindet.
Beaufort Terrace ist eine von ihnen: Sie wird gesäumt von perfekt proportionierten Gebäuden aus der Regency-Epoche. Schwarze Gitter mit eisernen Spitzen verbinden bogenförmig die breiten Treppen, die zu den einzelnen Haustüren im Stil des 18. Jahrhunderts führen. Die Gitter sind reich vergoldet, und dementsprechend gelten die Mieten für die Büroräume hier zu Recht als die höchsten der Stadt.
Pepper Minesse war wahrscheinlich besser vertraut mit dieser Straße als jeder andere, der hier ein Büro gemietet hatte. Ihre Agentur war als eine der ersten eingezogen, kaum dass die Handwerker und Innenarchitekten das Gebäude verlassen hatten. Ihr gehörte das dreistöckige Haus genau in der Mitte.
Während sie einen Moment davor innehielt, merkte Pepper, dass ein Mann, der auf der anderen Seite entlanggegangen war, stehen blieb und zu ihr herüberblickte. Sie hatte ein schwarzes Kostüm von Yves Saint Laurent mit tiefem V-Ausschnitt angezogen, und es sah so aus, als trüge sie nichts darunter. Das schwarze Seidentop war nicht zu sehen.
Pepper hatte schon vor langer Zeit erkannt, wie nützlich es war, den Gesprächspartner abzulenken, gleichgültig, ob es um geschäftliche oder private Dinge ging. Sie war eine der wenigen Frauen, die sowohl Sexualität als auch Macht ausstrahlten, und die Männer fühlten sich von ihr herausgefordert. Wenn es ihr günstiger erschien, ließ sie sie in dem Glauben, sie wären ihr gewachsen.
Teure Wagen parkten zu beiden Seiten der Straße und zeugten von der exklusiven Lage. Bankkaufleute und Börsianer fochten hier wie Kampfhunde um Räumlichkeiten. „Minesse Management“ zahlte keine Miete, sondern zog die der anderen ein. Neben diesem Mittelgebäude besaß Pepper noch zwei weitere Häuser.
Es war ein langer, harter Kampf gewesen, um dahin zu kommen, wo Pepper heute war. Sie wusste, dass sie nicht wie eine Frau wirkte, die ein Millionenunternehmen leitete. Zum einen war sie dafür zu jung; sie wurde demnächst achtundzwanzig, und nichts von der komplizierten menschlichen Natur war ihr fremd geblieben.
Minesse war nicht ihr richtiger Name, sie hatte ihn offiziell angenommen. Es war eine Umbildung des Wortes „Nemesis“, der griechischen Bezeichnung für „Rache und Vergeltung“, und passte ihrer Meinung nach gut zu ihrer Tätigkeit. Pepper liebte die griechische Mythologie. Mit ihrer nahezu pauschalen Verurteilung aller Empfindungen, von denen sich die Menschen leiten lassen, entsprach sie der zynischen Seite ihres Charakters.
Es erschien ihr wie Ironie, und sie fand es äußerst bezeichnend, dass eine Gesellschaft, die Missbrauch und Ausbeutung von Kindern geflissentlich übersah, allein schon beim Klang des Wortes Rache entsetzt die Hände erhob. Ihr gefiel dieses Wort, aber sie stammte ja auch aus einer alten Kultur und gehörte einem Volk an, das eine angemessene Strafe für menschliches Verbrechen guthieß.
Während Pepper das Haus betrat, fing sich die Sonne in ihrem raffiniert geschlungenen Chignon und ließ ihr Haar dunkelrot aufleuchten. Im Schatten wirkte Peppers Haar schwarz, aber das war es nicht. Es besaß einen tiefen Burgunderton – eine ungewöhnliche Farbe, beinahe so selten wie das tiefe Violettblau ihrer Augen.
Der Mann auf der anderen Straßenseite betrachtete anerkennend ihre langen schlanken Beine. Pepper trug schwarze reinseidene Strümpfe, die sie gleich im Dutzend kaufte.
Die Telefonistin lächelte nervös, als sie Pepper bemerkte. Das gesamte Personal hatte Respekt vor ihr. Sie stellte sehr hohe Ansprüche und galt selbst als unermüdliche Arbeiterin. Ihr blieb gar nichts anderes übrig. Sie hatte die Agentur aus dem Nichts aufgebaut, betreute inzwischen etliche Weltstars der Unterhaltungsbranche und des Sports und handelte Werbeverträge für sie aus, die ihnen ein Einkommen in Millionenhöhe sicherten.
Das Mädchen hinter der Empfangstheke war einundzwanzig. Sie war eine hübsche Blondine und besaß die längsten Beine, die Pepper je gesehen hatte. Deshalb hatte sie sie eingestellt. Bei ihrem Anblick wurden die Kunden nicht ungeduldig, falls sie warten mussten.
Vom Empfangsraum mit seiner Einrichtung in kühlem Grau und Schwarz mit diskreten weißen Tupfern und Bauhausstühlen betrat man ein luxuriöses Besprechungszimmer. Von Designern entworfene Schrankwandeinheiten verbargen die modernste
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