Die Stadt der Engel
ein gefühlloser Fanatiker, auch sich selbst gegenüber, und so ging es ihm weniger darum, sich in Sicherheit zu bringen, als den Fall Sulla bestmöglich abzudichten. Wenn der Major seinen Verfolgern in die Hände fiel, würden sie ihn zum Reden bringen, durch subtile und auch grausame Methoden, die noch auf die chinesische Schule zurückgingen. Er hatte sie selbst zu oft angewandt, um nicht zu wissen, daß diese Tortur kein Mensch durchsteht. Man sagt fernöstlichen Geheimdiensten nach, daß sie selbst Steine zum Reden brächten.
Er fuhr mit seinem Kombi los, ziellos zunächst, kreuz und quer durch die Stadt der Engel, bog so plötzlich ab, daß seine Verfolger an ihm vorbeischossen. Sie mußten zeitraubend wenden. Bis sie wieder an seinem Heck hingen, hatte Vasatrana den Sender ausgebaut.
Bereits sein nächster Versuch, die Schatten loszuwerden, gelang. Diesmal wiesen den Verfolgern keine Signale mehr den Weg. Vasatrana lachte geringschätzig. Er überzeugte sich immer wieder im Rückspiegel, daß ihm niemand folgte. Nach zehn Kilometern war er sicher; und er hatte nur noch acht vor sich. Er bog von der Straße nach Pattaya links ab. Er hatte jetzt noch fünf Minuten Fahrt zum Wat Muang, der großen Tempelanlage für Mönchanwärter. Gleich dahinter lag der kleine Sportflugplatz. Hier stand Vasatranas Piper, eine einmotorige Maschine, die den Radarschirm unterfliegen konnte. Es war nicht weit nach Kambodscha: In knapp zwanzig Flugminuten konnte er das Nachbarland an der nächsten Stelle erreichen, und bei den Vietnamesen, die das Land besetzt hielten, war er persona gratissima.
Der Verräter hatte den Flugplatz erreicht, stellte seinen Wagen ab, stieg aus. Der Weg war frei, niemand würde seine Flucht aufhalten. Noch dreißig Meter bis zu seiner Maschine.
Drei Bettelmönche waren ausgeschwärmt, und der vordere hielt dem Major die Almosenschüssel hin. Einen Safrangelben weist man nicht ab, nicht einmal dann, wenn man Kommunist ist. Vasatrana holte aus der Tasche Baht-Scheine hervor – und spürte den Lauf einer Pistole im Genick. Er fuhr herum und erkannte, daß die Mönche keine Thailänder waren. Während er die Hände hob, vergruben sich seine Schneidezähne in der Unterlippe, bis sie blutete. Der Major hatte sich seit Tagen gefragt, was aus den eingeschleusten Agenten Tom, Jim und Hilary geworden war – und eine schlimme Antwort erhalten.
Sein Gegenspieler hatte an alles gedacht.
Kurze Zeit später trafen Vivikul und Garella ein. Der Kripochef wandte sich aus Verachtung ab. »So trifft man sich wieder, Vasatrana«, spottete der Topagent. »Sie wissen, was Ihnen jetzt bevorsteht. Es liegt ganz bei Ihnen, wie lange Sie geschunden werden wollen.« Der Major versuchte, Garella ins Gesicht zu spucken, aber der Agent zog rechtzeitig den Kopf zurück.
Der Gefesselte wurde unter großer Bewachung in das gleiche Gefängnis eingeliefert, in dem er Predi hatte ermorden lassen.
Finale der Operation ›Flashlight‹. Nach dem ersten Triumph war Garella leergebrannt, erschöpft. Er hatte in den letzten Nächten nicht geschlafen und kaum etwas gegessen. Er konnte es nicht begreifen, daß er nunmehr einen Job an den Nagel hängen würde, der Fluch und Erfolg seines Lebens gewesen war. Er hatte gewonnen, aber es war keine ganz saubere Lösung. Bis der Verhaftete reden würde, hätten seine Hintermänner bereits viele Spuren verwischt; aber es war nicht mehr sein Problem: Garella fühlte sich bereits als Entlassener der unsichtbaren Front.
Sie erreichten Bangkok und verringerten das Tempo. Auf einmal roch die Stadt der Engel nach Vergangenheit, nach Jugend, nach den Blütenträumen von damals. Garella sah den hübschen Mädchen nach. Der Duft der Garküchen brachte ihn in Versuchung: Gang phet roch er, scharfe Suppe, und genau danach war ihm. »Halt einen Moment an, Decha!« bat er den Freund und stieg aus dem Wagen. Er konnte nicht widerstehen, und sein neues Leben begann mit Curry und Chilly-Gewürzen, die eine Speiseröhre aus Leder voraussetzten. Mochten die Garküchen am Straßenrand unhygienisch sein, ihr Essen schmeckte großartig. Die Köche waren Virtuosen, die auf einem primitiven Instrument ganze Symphonien spielen konnten.
Während Garella die Gang phet langsam auslöffelte – Decha lächelnd neben ihm –, sah er das hübsche Thai-Girl in den knappen Shorts auf der Kawasaki. Er zahlte und beobachtete dabei, daß die Maschine gewendet hatte und das hübsche Mädchen mit dem Begleiter auf dem
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