Die Stadt der Engel
offen, daß er so ungeniert mithörte, wie er hemmungslos ihr Privatleben durchschnüffelte. Aber damit war jetzt Schluß. Noch vor dem Nachtisch rief Pallmann seine Beamten in das Konferenzzimmer zurück, um das auszulösen, was Garella das ›Feuer auf den eigenen Standort‹ genannt hatte. Aus der Deckung tretend, bot er sich als Zielscheibe an.
Der Regierungsdirektor war außer sich, man merkte, wie schwer es ihm fiel, sich zu beherrschen. »Meine Herren«, begann er, »ich möchte mir nicht noch einmal übertriebene Geheimniskrämerei nachsagen lassen. Ich habe soeben mit unserem Residenten in Bangkok gesprochen. Grawutke gab eine Blitzmeldung durch. Er verbürgt sich persönlich dafür, daß er soeben – bitte halten Sie sich fest, meine Herren! – mit Paul Garella gesprochen hat.«
»Aber der ist doch tot«, erwiderte Weidekaff verständnislos.
»Das ist er eben nicht. Er hat den Anschlag überlebt und lockt jetzt den getäuschten Sulla in die Falle.«
Es war, als wäre eine Handgranate in den Raum geworfen worden. Im ersten Moment prallten bei den Zuhörern Verwirrung und Erstaunen aufeinander, gemischt mit Ungläubigkeit. Dann erst setzte sich satter Triumph durch.
»Natürlich hätte ich Ihnen das gar nicht sagen sollen«, fuhr Pallmann fort. »Aber diese Nachricht konnte ich einfach nicht zurückhalten. Ich weiß ja, daß Sie die Geheimhaltung peinlich genau befolgen werden. Ich freue mich, daß nunmehr die Bedrängnis der letzten Wochen ausgestanden ist. Gaudeamus …«
Sie gingen zögernd an ihre Schreibtische zurück. Nicht einmal unter sich sprachen sie über diese sensationelle Wendung; aber ihre Genugtuung konnten sie nicht verbergen. Nur Schlumpf beherrschte sich wieder einmal am besten, vielleicht auch nur, weil er Zahnschmerzen hatte.
»Ich steh' das nicht länger durch«, meldete er sich bei Pallmann ab. »Ich muß meinen Zahnarzt, Doktor Freitag, aufsuchen, aber ich bin so bald wie möglich wieder im Camp.«
»Geht schon in Ordnung, Herr Schlumpf«, erwiderte der Chef. »Gute Besserung.«
Der Musterknabe vom Dienst fuhr los; er merkte nicht, daß er beschattet wurde, aber es war nur Formsache, denn Sicherheitschef Wallner hatte sofort veranlasst, die Telefonleitung des Zahnarztes Dr. Freitag zu überwachen. Die Fangschaltung war schon installiert, bevor Heinrich Schlumpf das Haus betreten hatte.
Nach Minuten kam die Verbindung zustande. »Äußerste Vorsicht, Somjot!« meldete sich Schlumpf. »Allem Anschein nach lebt Paul Garella doch noch. Verstanden? Ende!«
Er legte auf.
Seine Zahnschmerzen schienen wie weggeblasen zu sein, aber Dr. Freitag bestand darauf, sich Schlumpfs Zähne trotzdem anzusehen. »Kann nichts finden«, stellte er dann fest.
Fündig geworden war Kriminaldirektor Wallner, der bereits vor der Tür stand, um den Maulwurf von Pullach beim Verlassen der Praxis zu verhaften.
»Du kommst zwanzig Minuten zu spät, Dany«, begrüßte in der Halle des Dusit Thani Larry seine Auftraggeberin; er warf einen Blick auf ihren Begleiter und zögerte. Dany gab ihm ein Zeichen weiterzusprechen. »Wenn du mich fragst, eine faule Geschichte: Heroin ins Apartment geschmuggelt, dann Durchsuchung und anschließend Verhaftung. Ganz großer Auftritt der Polizei: Zwei Uniformierte haben sie durch die Halle abgeführt und …«
»Von wem, zum Teufel, sprichst du eigentlich, Larry?« unterbrach ihn Dany.
»Von Kim«, erwiderte er. »Von Kim Kalaschke. Für mich ist sie entführt worden.«
»My God!« erwiderte Dany betroffen.
»Ich wollte dir nicht vorgreifen und habe deshalb nichts unternommen.«
Sie nickte, entschuldigte sich und ging zum Chef der Rezeption.
»It's a shame, Madame«, jammerte der Mann sofort. »It's a desaster for our reputation.«
»Haben Sie die Polizeibeamten gekannt?«
»Nein.«
»Haben Sie ihre Ausweise kontrolliert?«
»Wozu?« entgegnete der Mann mit den gekreuzten Schlüsseln. »Sie waren doch in Uniform. I bag for your discretion«, lamentierte er wieder. Dany ließ ihn stehen und ging zu ihren Begleitern zurück. Sie trank das Glas leer, das ihr Larry zuschob, ohne seinen Inhalt zu definieren. Kim war ihre Kontaktperson zu Garella. Mit ihrer Entführung war auch die Verbindung zu ihm gerissen. Sie hatte dem subversiven Strategen versprochen, durch nichts seine Tätigkeit zu stören. Aber jetzt war Kim in Lebensgefahr, und er wußte es vielleicht nicht einmal.
»Wir müssen die Polizei alarmieren«, entschied die Journalistin. Ferry wollte
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