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Die Stadt der Engel

Die Stadt der Engel

Titel: Die Stadt der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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nicht verderben lassen, lagen im Schatten nebeneinander und warnten sich gegenseitig vor der Tropensonne.
    Als sie sich weit draußen über dem Meer dem westlichen Horizont näherte, lockte die Cocktailbar die Gäste zur Sunset-Stunde, zur Happy Hour. Ein klein wenig kühlte der Tag ab. Die hübschen Barmädchen empfingen die Gäste mit einem strahlenden Lächeln und gefalteten Händen. Hits aus aller Welt animierten zum Tanz, jetzt eine dunkle Stimme mit einem suggestiven Lied ›Power of love‹.
    »Jennifer Rush«, sagte Dany.
    »Bitte«, sagte Ferry und führte sie auf die Tanzfläche.
    »I am your lady – and you are myop man«, summte Dany den Refrain mit, und Ferry beugte sich zärtlich über sie. »When ever you reach for me – are the moments I can … Du tanzt gut«, lobte Dany.
    »Ist das wichtig?«
    »Nein, aber angenehm«, versetzte sie lachend.
    Ferry führte sie in eine Linksdrehung, und da stand der verdammte Boy mit dem Schild: MRS. CALLWAY.
    »Jetzt bist du an der Reihe, Dany«, sagte er und ließ seine Tänzerin widerwillig aus den Armen.
    Jennifer Rush besang weiter die Macht der Liebe, aber Larry Grindlers Anruf beendete den Sunset-Zauber. Dany erfuhr, daß Colonel Maliwan, der Leiter des Raids gegen die Heroinbanden im Norden, spurlos verschwunden war, womöglich entführt. Dany entschloß sich, sofort nach Bangkok zurückzufliegen.
    Die Pullacher Zentrale stand Kopf. Die Treibjagd im Treibhaus hatte den Siedepunkt überschritten. Durch eine gezielte Übermittlungsspanne hatten die oberen Chargen der Südostasienabteilung erfahren, daß Paul Garella in New York nicht umgekommen war und daß man in München – in Zusammenarbeit mit der Agency – eine Scheinbeerdigung arrangiert hatte. Leider ohne Erfolg, denn der Topagent war jetzt im Einsatz in Bangkok in die Luft gesprengt worden.
    Pallmann, dem Abteilungsleiter, blieb nichts anderes übrig, als die Flucht nach vorn anzutreten: »Ich möchte mich insbesonders bei den Herren Sanftleben und Weidekaff entschuldigen, die ich als offizielle Vertreter zur Trauerfeier im Nordfriedhof delegiert hatte. Ich mußte es tun, ich konnte nicht über diese Farce sprechen. Es war die ausdrückliche Auflage des großen Gregory, und Sie wissen, daß wir in unserem Fach zu manchem gezwungen werden, das vom Üblichen abweicht.« Den Rest murmelte er Lateinisch: »Mundus vult decipi, ergo decipiatur.«
    Wie immer fand Heinrich Schlumpf, der Südostasienanalytiker – trotz der Zahnschmerzen, über die er am Morgen bereits geklagt hatte –, das passende Wort: »Ich halte es für ausgeschlossen, Herr Regierungsdirektor, daß ein Mitglied unserer Abteilung Sie in diesem Fall nicht verstehen könnte.«
    Die Umsitzenden betrachteten den Mann, der wie ein Bankbeamter aussah, ein wenig verärgert; alles an ihm war korrekt: der Anzug, die Brille, die Frisur, der Lebenslauf. Die Ochsentour ist manchmal im Staatsdienst unumgänglich, aber man braucht deshalb noch lange nicht Rad zu fahren.
    »An die Spitze rücken ein«, brummelte Weidekaff halblaut, »Drückdich, Bückdich, Knickebein!«
    Die anderen lachten gequält, doch auch höhnisch, und daß Schlumpf ehrgeizig war, blieb so unbestreitbar wie seine nervtötende Pedanterie und seine steifen Umgangsformen.
    »Manchmal sind die Belastungen im Dienst schier unerträglich«, bemerkte Sanftleben. »Aber das soll nun wirklich kein Vorwurf sein, Herr Pallmann. Und wenigstens kann diesmal niemand behaupten, wir wären schuld an der Enttarnung Garellas.«
    »Das dürfte außer Frage stehen«, bestätigte der künftige BND-Vize und entließ seine Herren zum Mittagessen.
    Sie nahmen es jetzt alle in der Kantine ein, keiner speiste mehr außer Haus. Sie saßen am Tisch unter einem großen Bild von zweifelhaftem Kunstwert: Dickbusige Walküren banden Ähren zu Garben. Nichts Neues für die Kantinenbesucher; sie wußten längst, daß in Pullach auch faule Früchte geerntet wurden. Die alten Hasen fühlten sich in dieser heißen Periode während der Kältewelle um viele Jahre in die Zeit des Regierungsrats Felfe, alias Friesen, zurückversetzt, als die Luft im Camp unerträglich geworden war, bis der Sicherungsdienst den Verräter endlich überführen konnte.
    »Ich hab' den Kanal voll«, nörgelte Weidekaff und schob seinen vollen Teller weg. »Es stinkt ganz gewaltig. Ich werde um die Versetzung zu einer anderen Dienststelle bitten.«
    Am Nebentisch saß Kriminaldirektor Wallner; sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel

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