Die Stadt der Könige: Der geheime Schlüssel - Band 2 (kostenlos bis 14.07.2013) (German Edition)
Eminenz, dem Archiepiskopos von Ardelan. Ihr seid verhaftet, wegen Aufwiegelung des Volkes.“
Trotz ihres ungünstigen Platzes konnte Elfrieda sehen, wie die Soldaten jemanden abführten. Rote Haare wehen im Wind. Alle Menschen standen regungslos da, keiner sagte ein Wort, aber alle sahen gespannt und fasziniert auf das schöne, stolze Wesen. Elfrieda spürte selbst das lähmende Entsetzen, aber sie hatte gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Sie schüttelte die stumme Starre ab.
„Hört sofort auf damit“, rief sie.
Einige, die in ihrer Nähe standen, sahen sie überrascht an, aber andere stimmten in ihre Worte mit ein.
„Lasst sie los.“
„Sie hat nichts getan.“
Die Masse begann bereits, sich nach vorne auf die Soldaten zu zubewegen. Elfrieda konnte an ihrem Platz an der Mauer endlich wieder durchatmen. Sie hatte eine Lawine ins Rollen gebracht. Die Menschen drängten immer weiter und versuchten den Soldaten den Weg zu versperren. Auch Elfrieda wollte das. Sie wollte dieses Wesen sehen. Noch nie in ihrem Leben war sie Elben begegnet, und jetzt war eins dieser Geschöpfe zum Greifen nah und doch unerreichbar.
Entsetzt sah sie, wie sich die Soldaten der Masse entgegenstellten. Erste Steine flogen, Schwerter blitzen in der Sonne. Der Fischmarkt wurde zu einem Kampfschauplatz. Doch die Gefangene mit den roten Haaren wurde immer weiter weggebracht, geradewegs zum Archieristos. Elfrieda lief ihr, so schnell sie konnte, hinterher. Sie bog in eine Seitenstraße ab und stieß nach kurzer Zeit wieder auf den Hauptweg. Das Getöse des Kampfes nahm stetig zu. Immer mehr Soldaten liefen zum Fischmarkt, um die Menschenmasse zu bändigen. Zwischen all dem glänzenden Rüstzeug flammten die roten Haare wieder auf.
Elfrieda überlegte, welchen Weg sie einschlagen konnte, um schneller oder zumindest zeitgleich mit den Wachen und der Elbin im Archieristos anzukommen.
Sie versuchte am Rande des Soldatenstroms durchzuschlüpfen, aber sie musste immer wieder in Hauseingänge ausweichen. Als sie aus so einem Eingang erneut auf die Straße trat, war plötzlich nichts mehr zwischen ihr und dem rothaarigen Wesen. Es war nur ein kurzer Blick, aber einen Herzschlag lang sahen sie sich an, dann drängten weitere Soldaten Elfrieda zurück in den Hauseingang.
Diese Augen. Elfrieda wusste, dass sie den Ausdruck in ihrem Blick niemals vergessen würde. Verwirrt, erschrocken, als könnte sie sich all das nicht erklären. Und dabei sah es nicht so aus, als sei sie wegen ihres eigenen Schicksals besorgt, sondern eher um das der Menschen auf dem Fischmarkt. Unwillkürlich sah Elfrieda noch einmal zurück. Es herrschte Krieg, in einer Stadt, in der der Friede des Herrn allgegenwärtig hätte sein sollen.
Warum kamen all diese Soldaten, wenn auf dem Fischmarkt Geschichten aus alten Tagen erzählt wurden? Warum wollte der Archiepiskopos um jeden Preis verhindern, dass über einen neuen König gesprochen wurde? Seine Loyalität zu Leonidas konnte es nicht sein, den hatte er schließlich unter Arrest stellen lassen.
Elfrieda schaffte es nicht vor den Soldaten im Archieristos zu sein, aber sie erfuhr sofort, dass die Elbin in den Audienzsaal gebracht worden war. Sie huschte in ihren geheimen Raum und schob das Holzplättchen zur Seite. Obwohl sie dafür sorgte, dass es sich geräuschlos verschieben ließ, merkte sie, dass die Elbin aufmerksam geworden war und in ihre Richtung sah. Wieder trafen sich ihre Blicke. Ertappt fuhr Elfrieda zurück und lauschte angespannt, ob sie nun entdeckt werden würde. Doch niemand sonst schien etwas bemerkt zu haben.
Der Archiepiskopos wirkte erregt. Seine Stimme überschlug sich.
„… wegen Volksverhetzung!“, beendete er seinen Satz.
„Ehrwürdiger Vater“, sagte die Elbe mit sanfter Stimme. „Es ist kein Geheimnis, jeder von meinem Volk weiß, dass der jüngste Sohn von König Philmor überlebt hat. Wir wissen, dass er zurück nach Corona ging und dort eine Familie gründete. Er hatte Kinder und Kindeskinder und einer lebt noch unter euch Menschen.“
„Keiner von ihnen hat überlebt!“, brüllte der Archiepiskopos. „Die Zeit der Könige in diesem Land ist vorbei. Die Kirche wird die einzige anerkannte Macht darstellen.“ Elfrieda schloss die Augen und setzte sich auf den Boden. Ihre Hände presste sie an die Schläfen.
Benidius hatte Recht gehabt. Die Quelle des Bösen saß tatsächlich hier im Archieristos. Es fiel ihr zwar schwer, zu glauben, dass der Heilige Vater hinter dem
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