Ciao Papa
1
Die Nacht, in der wir meinen dreißigsten Geburtstag feierten in diesem Tränental, war etwas leichter zu vergessen als weitere, die folgten. Der Kleine war der letzte Gast, und er verabschiedete sich um vier Uhr morgens. Er zupfte vor dem Spiegel seinen ehrwürdigen Backenbart zurecht, glättete den kurz geschnittenen weißen Oberlippenbart und band sich die dunkle Krawatte wieder um. Ich putzte ihm mit einer Kleiderbürste das Kokain vom Kragen seines makellosen marineblauen Anzugs. Der Spaß gefiel ihm, und als er lachte, entblößte er seine falschen Zähne, die ihn ein Vermögen gekostet hatten. Die echten waren vor langer Zeit infolge eines geschickt geführten Verhörs auf den urinnassen Boden einer Zelle des Polizeihauptquartiers gefallen.
»Ich lasse dir den Koks hier«, sagte er mit der für ihn typischen Geste eines Gran Señor.
»Da sind noch um die zwanzig Gramm drin, mein Alter …«, erwiderte ich aus Gründen des Takts.
Tatsächlich waren es nicht mehr als fünfzehn, aber ich liebte es, die Form zu wahren, wenn ich mit dem Kleinen sprach.
»Ein kleine Aufmerksamkeit für dich, mein Junge!«, meinte er und kniff mich in die Wange. »Wie findest du es?«
»Bolivianisches null acht. Das mindeste, was ich verdient habe, nach all dem Ärger, den du mir gemacht hast.«
»Du lernst schnell. Man sieht, dass du gute Lehrer hattest.«
Dieses Mal gab er mir einen liebevollen Klaps, während er sich den schwarzen Mantel überzog und den Schal aus Vicuñawolle umlegte.
»Soll ich dich nicht fahren, Kleiner?«
»Danke, danke, mein Junge … Zwei meiner Männer warten unten auf mich.«
Ich wusste, dass der Kleine nie alleine unterwegs war, obwohl er zur alten Garde gehörte. Außerdem war er immer bewaffnet, und seine Eier waren dick genug, um sie in einer Schubkarre herumzuführen. Manchmal brachte ich ihn nach Hause, und seine Leute folgten uns in seinem Wagen.
»Und du lässt sie so lange arbeiten, du schäbiger Ausbeuter? Warte, ich begleite dich hinaus.«
Ich hörte nicht auf seine förmlichen Proteste, zog mir die Schuhe und einen Pullover an und ging auf den Balkon hinaus. Drei Stockwerke tiefer saßen zwei Typen in einem dunkelgrünen Ford, der einsam am gegenüberliegenden Randstein geparkt war. Die Windschutzscheibe war auf der Innenseite von Hand geputzt worden. Die anderen Scheiben waren mehr oder weniger beschlagen. Die Straße war ruhig.
Als wir schon im Lift waren, legte mir der Kleine die Hand auf die Schulter und sagte:
»Dreißig Jahre … dreißig Jahre …! Wenn ich noch dreißig wäre!«
Als wir durch den dunklen Korridor schritten, klopfte ich ihm auf die Schulter und fühlte, dass ich ihn liebte wie eh und je.
»Diese dreißig Jahre stehen zu deiner Verfügung, Alter«, sagte ich mit ernster Stimme, den Kiefer etwas steif vom Kokain.
»Ich weiss, Doktor, ich weiss, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
Der Kleine war gerührt. Und ich auch. Diese emotionalen Momente zwischen ihm und mir hat es immer gegeben. Sie sind kurz, aber intensiv.
Ich begleitete ihn bis vor die Tür. Die Typen des Kleinen putzten die Windschutzscheiben, einer von innen, der andere von außen. Den drinnen kannte ich. Man nannte ihn den Kleinen Italo. Er war ein De Mare aus Flores. Sein älterer Bruder, der Große Italo, war einer meiner besten Kumpels. Er hatte es geschafft, aus der Scheiße rauszukommen, arbeitete jetzt als Lastwagenfahrer und hatte drei Kinder. Wir hatten zusammen ziemlich viel Mist gebaut. Manchmal lud er mich sonntags zum Mittagessen bei seiner Familie ein; anschließend brachte er mich mit dem Lastwagen ins Zentrum und ging mit seiner Dicken und den Kindern bei meiner Mutter vorbei, die gegenüber von mir wohnte.
»Die Sache mit den Autos interessiert mich wirklich«, sagte der Kleine. »Sag Abracadabra, dass wir uns treffen können, wann immer er will. Küss deine Mutter von mir. Wie geht es ihr?«
»Gut, gut, so beschissen wie immer.«
»Behandelst du sie gut?«
Er schaute mir in die Augen.
»Aber sicher, Kleiner, wieso sollte ich sie nicht gut behandeln! Du kommst immer wieder mit dem gleichen Spruch. Was für ein Idiot, was für eine Schlampe hat dich denn gegen mich aufgehetzt? Sobald ich weiß, wer es ist, unterhalten wir uns zu dritt, und dann schneide ich ihm die Eier mit einer Glasscherbe ab.«
Er antwortete nicht und überquerte die Straße mit dem gleichen ruhigen Schritt wie immer. Der Typ außerhalb des Wagens hatte ein Fischgesicht. Er wünschte uns einen
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