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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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würden wir herausfinden, wer von beiden der Stärkere ist. Nur durch diese beiden kann die Stadt entweder zur Perfektion oder zu ihrer eigenen Zerstörung gelangen.« Der Direktor sah Lily unverwandt an. »In den vergangenen Jahren sind so manche auf den Plan getreten, von denen wir annahmen, dass sie diese Rollen ausfüllten. Viele Spieler, die in der Stadt zu großen Höhenflügen ansetzten, viele Gegenspieler, die ihnen entgegentraten. Ja, es waren viel mehr, als allgemein bekannt ist. Aber sie haben uns alle enttäuscht, oder sie sind nie zur gleichen Zeit aufgetreten. Aber jetzt glauben wir, dass es so weit ist.«
    Lily wich wie betäubt ein Stück zurück. Tausend unfertige Fragen drängten sich in ihrem Kopf, aber eigenartigerweise stellte sie ausgerechnet diejenige, von der sie die Antwort bereits zu kennen glaubte.
    »Wer ist der andere?«, fragte sie.
    Daraufhin fischte der Direktor etwas aus seiner Tasche. »Zuerst waren wir uns bei euch beiden nicht sicher. Ihr wart eine von mehreren Möglichkeiten – ein Pärchen unter vielen. Aber seit jenem denkwürdigen Agora-Tag, nachdem wir Ihr Almosenhaus sahen und seinen Aufstieg miterlebten, und als wir bemerkten, wie sich Ihre Lebenswege immer wieder kreuzten …« Er hielt ihr den Gegenstand hin. Es war ein abgetragener Siegelring aus Messing mit einem eingravierten Seestern. »Wir waren sehr überrascht, dass Sie nach allem, was geschehen war, trotzdem zu ihm ins Gefängnis gegangen sind. Irgendwie seltsam, dass unsere großen Gegenspieler Freunde zu sein scheinen …«
    Lily starrte den Ring an. »Mark«, sagte sie.
    Obwohl er ihre Vermutung bestätigte, verschaffte ihr der Gedanke wenig Trost. Als der Direktor Marks Siegelring in ihre Hand fallen ließ, hatte sie immer noch mit dieser neuen Gewissheit zu kämpfen. Das alles schien so hervorragend zu passen. Trotzdem war sie sich in diesem Augenblick vollkommen darüber im Klaren, dass sie nicht an Schicksal glaubte.
    Sie hob den Kopf, um etwas zu sagen, aber gerade als sie den Mund aufmachte, hörte sie hinter sich ein Geräusch, wie von sich rasch nähernden, lauten Stimmen.
    Der Direktor runzelte leicht verärgert die Stirn. »Sieht so aus, als würden wir gleich unterbrochen werden.«
    Kurz darauf flog die Tür zu Miss Verity Büro mit einem lauten Krachen auf, das in dem zuvor absolut stillen Büro geradezu ohrenbetäubend klang. Mit großen Schritten und vor Zorn verzerrtem Gesicht kam der sonst immer so gesetzt wirkende Lordoberrichter hereingestürmt, gefolgt von Miss Verity, die dem Direktor entschuldigende Blicke zuwarf.
    »Tut mir leid, Sir«, rief sie hastig. »Er bestand darauf, dass …«
    »Ich kann für mich selbst sprechen, vielen Dank«, knurrte Lord Ruthven. »Lassen Sie uns allein.«
    Miss Verity sah erst Lily an und dann den Direktor, der ihr kaum merklich zunickte. Daraufhin verneigte sie sich und verließ den Raum wieder. Der Direktor wandte seine Aufmerksamkeit Lord Ruthven zu.
    »Nun, Ruthven, was verschafft uns die Ehre dieser Unterbrechung?«
    »Dieses Treffen ist untragbar, Direktor!« Lord Ruthven tobte. »Das Mädchen hat kein Recht darauf, unsere Geheimnisse zu kennen! Wie kann sie sich anmaßen, all das zu beurteilen, was wir unser Leben lang aufgebaut haben?«
    »Es gibt viele Arten der Beurteilung, Ruthven«, entgegnete der Direktor ruhig. »Gerade Sie sollten das wissen. Und vielleicht sehen die Jungen die Dinge klarer, als wir das mit all unserer Erfahrung je könnten.«
    Obwohl Lily noch immer der Kopf schwirrte, gelang es ihr, das Wort zu ihrer Verteidigung zu ergreifen.
    »Mylord«, sagte sie, »ich habe nie versucht, irgendetwas zu beurteilen, sondern immer nur das zu tun, was richtig ist.«
    »Sehen Sie, Direktor?« Lord Ruthvens Stimme klang schon wieder anmaßend und verächtlich. »Die Betrügerin ist nicht einmal in der Lage, es zu verstehen. Die wahre Gegenspielerin würde nicht zweifeln, sich nicht beirren lassen. Diese hier besitzt nicht die nötige Reinheit für diese Berufung.«
    Etwas in Lord Ruthvens Worten kam ihr plötzlich bekannt vor. Ganz allmählich, während sich die beiden mächtigen Männer weiter stritten, fugte sich all das, was man ihr gesagt hatte, zu einem sinnvollen Ganzen zusammen … Gedanken über Reinheit … und Wahrheit …
    »Ist Ihnen je ein anderer Gegenspieler mit derartig leidenschaftlichen Grundsätzen begegnet, Ruthven?«, fuhr der Direktor, noch immer ganz die Stimme der Vernunft, fort.
    Wer sonst glaubte leidenschaftlich an

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