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Die Stimme der Jaegerin

Die Stimme der Jaegerin

Titel: Die Stimme der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
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schätze ich.«
    Mit ernstem Blick sah er ihr in die Augen. »Vielleicht wäre es am humansten, wenn ich ihn erschieße.«
    Er hatte die Hand schon auf die Waffe gelegt. Etwas in Claudia wurde kalt und starr. Ihre Hände krampften sich um das Lenkrad. Rückblickend war es eine dumme Idee gewesen, ihre Waffe im Kofferraum zu verstauen.
    »Vielleicht.« Sie achtete darauf, dass ihre Stimme sanft und gleichmäßig klang. »Der Gedanke war mir auch schon gekommen. Aber das wäre nicht fair. Er hat viel durchgemacht, um es bis hierher zu schaffen. Und obwohl er wach war, als ich ihn in den Wagen gehievt habe, hat er mich nicht gebissen. Ich will ihm eine faire Chance geben. Sagen Sie nicht, dass es im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern keinen Tierarzt gibt.«
    Unsichtbar wie eine Hitzewelle, die vom Asphalt aufstieg, hing die Entscheidung zwischen ihnen in der Luft. Claudia ließ die linke Hand auf ihren Oberschenkel sinken und ballte sie zur Faust, als sie registrierte, dass seine Hand noch immer an seiner Pistole lag.
    Der Polizist steckte ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere in die Brusttasche seines Hemds und richtete sich auf. »Es gibt einen Tierarzt in der Nähe. Folgen Sie mir.«
    Und so bekamen Claudia und der Hund eine Polizeieskorte nach Nirvana, ein Städtchen in Nevada mit 1611 Einwohnern.
    Der Ort lag in den Ausläufern eines kleinen Gebirgszugs, die Straßen waren in einem schlichten Nord-Süd- und Ost-West-Gitter angelegt. In geringem Abstand folgte Claudia dem Streifenwagen des Sheriffs, der zügig durch die Straßen der ruhigen Wohnviertel fuhr, bis er vor einem Einfamilienhaus anhielt. Das eingeschossige Gebäude hatte eine windgeschützte Veranda an der Westseite, und in der Auffahrt parkte ein staubiger Dogde-Ram-Pickup.
    Claudia schätzte den Sheriff auf Mitte bis Ende fünfzig, aber er war ein durchtrainierter Mann und konnte sich flink bewegen, wenn es die Situation erforderte. Während sie noch hinter ihm einparkte, war er schon aus dem Streifenwagen gestiegen und kam auf ihren BMW zu.
    Wieder schob sie sich die Sonnenbrille auf den Kopf und öffnete die Tür, um ebenfalls auszusteigen. Beide betrachteten den furchtbaren Anblick auf dem Rücksitz.
    Der Sheriff holte tief Luft. Seinem Namensschild zufolge hieß er Rodriguez. »Wir sollten den Tierarzt wirklich bitten, ihn einzuschläfern. Eine kurze Injektion, und er hätte keine Schmerzen mehr.«
    Sie setzte eine unverbindliche Miene auf und nickte. »Er hat es bis hierher geschafft«, sagte sie. »Deshalb bin ich dagegen. Können Sie ein Ende der Plane festhalten, während ich ihn herausziehe?«
    Er seufzte und nickte. Gemeinsam benutzten sie die Plane als Trage und trugen den Hund zum Haus. Unterwegs hob Claudia den Blick. Während sie die Autos abgestellt hatten, war ein Mann vors Haus getreten und hielt ihnen jetzt die Fliegengittertür auf. Beim Näherkommen sah sie sein verwittertes Gesicht unter einem nicht weniger verwitterten Cowboyhut. Er war mindestens zehn Jahre älter als der Sheriff. Unter seinem Cowboyhut lugten weiße Haarbüschel hervor.
    Der Mann sagte zu Rodriguez: »Küchentisch.«
    Der Sheriff atmete hörbar aus und nickte. Sie gingen ins Haus und durchquerten ein Wohnzimmer mit großen, abgenutzten Möbeln und Bücherstapeln. Durch einen kurzen Flur gelangten sie in die Küche mit einer Reihe alter Kühlschränke, weiß gestrichenen Schränken, zerkratzten Resopal-Arbeitsflächen und einem abgenutzten Linoleumboden. Als Claudia bemerkte, dass der Boden unter ihren Füßen abschüssig war, sah sie nach unten und entdeckte in der Nähe der Hintertür einen metallenen Abfluss. Die Küche roch durchdringend nach Desinfektionsmitteln. Wahrscheinlich war es hier vollkommen sauber, wie der Geruch vermuten ließ, trotzdem wäre ihr ganz und gar nicht wohl dabei gewesen, hier eine Einladung zum Essen anzunehmen.
    Der Küchentisch war aus Metall, zu seinen beiden Seiten standen Picknickbänke und jeweils ein Stuhl am Kopf- und Fußende. Nachdem Claudia und der Sheriff den Hund auf dem Tisch abgelegt hatten, schob sich der Mann mit dem Cowboyhut an ihnen vorbei. Sein ramponiertes Gesicht nahm konzentrierte Züge an. Während er ein paar Latexhandschuhe aus einer Schublade nahm, sagte er: »Bring die Bänke und Stühle in den Flur, John.«
    »Wird gemacht.«
    Claudia wich in eine Ecke zurück, als der Mann die Möbel aus dem Weg schleifte.
    Ohne den Sheriff aus den Augen zu lassen, sagte sie zu dem Cowboyhut: »Er ist mein

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