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Die Stimme

Titel: Die Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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liegen mehr oder weniger überall herum, außer womöglich in der Küche. John, Will –« und damit winkte er zwei Stallburschen » – begleitet sie dorthin, bleibt an der Tür und laßt sie nicht aus den Augen.«
    Bruder Gregory führte die kleine Gruppe durch die Diele und in die Küche. Man konnte sehen, daß hier erst kürzlich noch Lionels und Thomas' Zechkumpanen gehaust hatten. Das Feuer war erloschen, die verschlossenen Gewürzkästchen waren geplündert, und in den glitschigen Ale-Lachen auf dem Fußboden lagen die Scherben von zerbrochenen Küchengefäßen. Mitten auf dem Boden gähnte ein Vogelkäfig aus Weidengeflecht, den man vom Balken abgeschnitten hatte.
    »O! Der Vogel unserer Köchin! Das bricht ihr das Herz. Hoffentlich haben sie ihn nicht aufgegessen!«
    Mißmutig musterte Bruder Gregory den Schaden. Das sah einer Frau ähnlich, sich in einer derartigen Situation um einen Vogel zu grämen. Aber er kletterte hoch und spähte aus dem hohen Küchenfenster, und die Stallburschen rückten näher, damit er ihnen nicht etwa entwischte. Hoch droben im winterkahlen Baum draußen vor dem Fenster konnte er schwarzweißes Federgeflatter ausmachen. Der Vogel machte eine Pause, hockte da auf einem schwankenden Zweig und legte den Kopf schief, um Bruder Gregory mit einem glänzenden Auge zu mustern.
    »Dem Vogel geht's gut, Margaret. Er ist gleich hier, draußen auf dem Baum«, verkündete er und zog die Nase ein. Auch die Männer zogen sich zurück. Frauen – kaum ein Unterschied zu Vögeln. Ein flatterhaftes Hirn, und nie lange genug auf einer Stelle, als daß sie richtig denken könnten. Wer weiß, mit welcher Albernheit sie jetzt ankam?
    »Margaret –« hob Bruder Gregory an.
    »Euer Vater ist ein Unmensch«, sagte Margaret. Bruder Gregory nickte beifällig.
    »Etwas anderes habe ich auch nie behauptet.« Bruder Gregory war entsetzlich traurig zumute. Er spürte, wie Gott ihm entglitt und sich all seine Pläne und Träume in Nebel auflösten. Wie kam es nur, daß Vater ihm das immer wieder antun konnte? Er vermochte kaum zu sprechen. Aber Margaret saß immer noch bis zum Hals in der Tinte, auch wenn sie nicht genügend Verstand hatte, das einzusehen. Er selbst hatte ihr das eingebrockt, und nun war er es ihr schuldig, daß er sie auch wieder herausholte.
    »Ich – ich glaube nicht, daß Ihr Hugo sehr mögt«, fing Gregory an.
    »Meiner Lebtage habe ich keinen übleren Kerl gesehen.«
    Genau das, was auch Bruder Gregory seit Jahren von ihm gehalten hatte. Jetzt ging es ihm schon besser. Für eine Frau war Margaret sehr scharfsichtig.
    »Ich – wir –« wollte er sagen. Margaret blickte ihn erwartungsvoll an. Er sah furchtbar aus. Sein abgetragenes, altes Gewand war zerfetzt und blutbespritzt. Den leichten Helm hielt er unter den Arm geklemmt, und seine Kapuze hatte er zurückgeworfen. Sie konnte die dunklen Ringe unter seinen Augen und eine böse Prellung an seiner Schläfe sehen, wo ihm dieser gräßliche alte Mann wahrscheinlich eins übergezogen hatte. In den letzten Monaten hatte Margaret ihn besser kennengelernt, als er ahnte, und sie wußte auch ohne Worte, was er sagen wollte. Sie wußte auch, was es ihn kostete. Und so wartete sie. Die Stallburschen an der Tür traten vor Langeweile von einem Fuß auf den anderen.
    »Margaret – ich habe es nicht sehr weit gebracht. Die Sachen, die ich machen wollte, alles nichts draus geworden. Schreiben, Lehren und jetzt auch noch die Kontemplation. Und dann wollte ich Euch helfen, und auch daraus ist nichts geworden. Schaut Euch doch nur den Schlamassel an, den ich angerichtet habe. Soweit ist es mit mir gekommen –«
    »Der Schlamassel ist nicht neu. Kendalls Söhne sind Teil von seinem Schlamassel, nicht von Eurem. Und Ihr habt mir wirklich geholfen. Woher hättet Ihr wissen sollen, was Euer Vater vorhatte.«
    »Ich habe ihn über die Jahre beobachtet. Ich hätte es wissen müssen. Er nimmt sich immer, was er kriegen kann und schert sich nicht darum, wer dabei zu Schaden kommt. Und jetzt kommt Ihr zu Schaden, Margaret, und ich bin daran schuld.«
    »Ihr kommt dabei leider auch zu Schaden«, antwortete sie.
    »Ja, aber das war noch nie anders. So ist es mir immer ergangen. Darüber wollte ich ja ein Wörtchen mit Gott reden, doch damit ist es wohl vorbei.« Margaret sah sein verquältes Gesicht und legte ihm die Hand auf den Ärmel.
    »Glaubt Ihr etwa, daß Gott das nicht sieht? Gott ist überall.«
    Gregorys Miene hellte sich auf.
    »Also, der Gedanke

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