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Die Stimmeninsel

Titel: Die Stimmeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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her. So brachte denn Keola den Schoner ganz allmählich, ganz sachte ans Land heran. Und auf einmal war das Land dicht neben dem Schiff, und die Wellen schlugen laut an die Schiffswände.
    Da richtete plötzlich der Steuermann sich auf und brüllte:
    »Was machst du da! Du bringst ja das Schiff auf den Strand!«
    Und er machte einen Satz auf Keola zu, und Keola machte auch einen Satz, glatt über die Brustwehr weg und plumps in die funkelnde See hinein. Als er wieder auftauchte, war der Schoner wieder im rechten Kurs und war schon weit; der Steuermann stand selber am Rad, und Keola hörte ihn fluchen. Die See war glatt unter dem Lee der Insel; außerdem war es warm, und Keola hatte sein Matrosenmesser, hatte also keine Furcht vor Haifischen. Ein Stückchen vor ihm hörten die Bäume auf; da war eine Lücke in dem Landstrich wie eine Hafenmündung; und die Flut, die gerade einsetzte, nahm ihn mit und brachte ihn durch diese Lücke. Noch war er draußen, und in der nächsten Minute war er drinnen: war vom Strom in ein weites, seichtes Wasser gerissen worden, worin zehntausend Sterne sich spiegelten, und rund um ihn herum war der Ring des Landes mit seiner Schnur von Kokospalmen. Und er war verblüfft, denn von einer solchen Sorte von Inseln hatte er niemals etwas gehört.
    Die Zeit, die Keola an diesem Ort verbrachte, zerfiel in zwei Perioden – die Periode, als er allein war, und die Periode, als er mit dem Stamm zusammenhauste. Zuerst suchte er überall und fand keinen Menschen, sondern nur einige Häuser, die wie ein Dörfchen zusammenstanden, und in ihnen Feuerspuren. Aber die Asche auf den Feuerstätten war kalt, oder der Regen hatte sie hinweggespült; und die Stürme hatten geblasen, und einige von den Hütten waren über den Haufen geworfen. Hier schlug er seinen Wohnsitz auf; er machte sich einen Feuerbohrer und einen Angelhaken aus einer Muschel und fischte und kochte seinen Fisch, er kletterte in die Palmen und pflückte grüne Kokosnüsse, deren Milch er trank – denn auf der ganzen Insel war kein Wasser. Die Tage wurden ihm lang, und die Nächte waren voller Schrecknisse. Er machte sich eine Lampe aus einer Kokosnußschale, preßte Öl aus den reifen Nüssen und machte einen Docht aus Bast; und wenn der Abend kam, schloß er seine Hütte und zündete seine Lampe an, und dann lag er da und zitterte, bis der Morgen kam. Manches Mal dachte er in seinem Herzen, ihm wäre besser gewesen, wenn er auf dem Grunde der See läge und seine Knochen unter den anderen rollten.
    Die ganze Zeit über hielt er sich auf der Binnenseite der Insel auf; denn die Hütten standen am Strande der Lagune, und die Palmen wuchsen dort am besten, und die Lagune selbst wimmelte von guten Fischen. Und nach der Außenseite ging er nur ein einziges Mal, und nur dieses eine Mal sah er zitternd den Strand des Ozeans und kam zitternd nach Hause. Denn der Anblick dieses Strandes mit seinem hellen Sand und den herumliegenden Muscheln, mit der heißen Sonne und der starken Brandung machte ihm sterbensübel.
    »Es kann nicht sein«, dachte er bei sich selber, »und doch sieht es ganz ähnlich aus. Und wie soll ich wissen, ob es nicht wirklich so ist? Diese Weißen behaupten zwar immer, sie wüßten, wo sie segeln, aber trotzdem müssen sie auf gut Glück fahren wie andere Leute. Und so kann es schließlich doch wohl sein, daß wir in einem Kreis gesegelt sind, und ich bin vielleicht ganz nahe bei Molokai; vielleicht ist dies derselbe Strand, wo mein Schwiegervater seine Dollars sammelt.«
    So war er denn von jetzt an vorsichtig und hielt sich an der Landseite.
    Es war vielleicht einen Monat später, da kamen die Leute an, denen der Platz gehörte – sechs große Boote voll. Sie waren schöne Menschen und sprachen in einer Sprache, die ganz anders klang als die von Hawaii, aber so viele der Worte waren die gleichen, daß sie nicht schwer zu verstehen war. Außerdem waren die Männer sehr höflich und die Weiber sehr zutunlich; sie hießen Keola willkommen, bauten ihm ein Haus und gaben ihm ein Weib; und am meisten überraschte ihn, daß er niemals mit den jungen Leuten zur Arbeit geschickt wurde.
    Und nun hatte Keola drei Perioden: zuerst eine, da er sehr traurig war; dann eine, da er recht lustig war; zuletzt aber kam die dritte, da war er der erschrockenste Mensch der vier Ozeane.
    Die Ursache der ersten Periode war das Mädchen, das er zur Frau hatte. Er war in Zweifeln wegen der Insel, und er hätte auch in Zweifeln sein können wegen der

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