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Die Strasse der Oelsardinen

Titel: Die Strasse der Oelsardinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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versicherte er sich, ob nicht auch Eddie oder Jones, Hazel oder Hughie dabei waren und sich am Ende irgendwo hinter und zwischen den aufgestapelten Waren herumtrieben. Doch diesmal war Mack allein und legte mit bezwingender Aufrichtigkeit seine Karten offen auf den Tisch: »Lee, ich und die Jungens haben gehört, du bist jetzt Besitzer von Abbevilles Haus.«
Chong nickte und wartete, und Mack fuhr rasch fort: »Ich und meine Freunde haben uns nun gedacht, es wäre doch nett von dir, wenn wir da einziehen könnten. Wir würden dafür sorgen, daß niemand einbricht oder etwas beschädigt. Es könnten sonst zum Beispiel Kinder die Fensterscheiben einschlagen; du weißt -«, deutete er leise an, »das Ding könnte auch abbrennen, wenn niemand aufpaßt.«
Lee bog den Kopf zurück und sah durch die Halbgläser Mack in die Augen. Seine Finger verlangsamten ihr Tempo über dem Gummiteller, er dachte tief nach, doch entdeckte sein forschender Blick in Macks Augen nur Treue und den guten Willen, jedermann glücklich zu sehen. Warum fühlte sich Chong trotzdem umzingelt? Warum liefen seine Gedanken so biegsam geschmeidig wie eine Katze, die sich zwischen einer Kaktusanlage durchwindet? Macks Angebot hatte geradezu philanthropisch geklungen. Aber Lees Geist hüpfte weiter zu dem, was möglich - nein, was unausbleiblich war, und sein beringter Finger pochte nur noch ganz langsam. Er sah sich Macks Antrag zurückweisen, erblickte zerbrochene Fensterscheiben, sah Mack wiederkommen, sein Angebot wiederholen und nach dessen abermaliger Ablehnung Flämmchen züngeln, ja, er roch schon den Rauch! Er sah sogar Mack und die Jungens voll Eifer beim Löschen des Brandes.
Chongs Mittelfinger lag wie tot auf dem Zahlteller. Er war geschlagen und war sich dessen bewußt. Ihm blieb nur noch die Möglichkeit, das Gesicht zu wahren. »Beliebt ih, mi fü mein Haus Miete zu zahlen? Ih wohnt dot wie in einem Hotel.«
Mack lächelte großmütig, denn das war er, und rief: »Na, höre, das ist doch selbstverständlich, gewiß! Wieviel?«
Lee dachte nach. Er wußte genau, es kam gar nicht drauf an, wieviel er verlangte; er bekam auf keinen Fall etwas. Er hatte nur einen angemessenen Betrag zu nennen, um sein Gesicht zu wahren. Also: »Fünf Dolla die Woche.«
Mack spielte seine Rolle vollendet. Er wiegte zweifelnd den Kopf. »Das muß ich erst mit den Jungens besprechen.« Dann bittend: »Ging's nicht mit vier Dollar wöchentlich?« Lee Chong beharrte auf fünf. »Ich werde mein möglichstes tun«, versprach Mack sorgenvoll. »Ich weiß nicht, wie sich die andern dazu stellen.«
War das nicht die glücklichste Lösung für alle Beteiligten? Sie war's, und wenn einer meint, Lee Chong habe dabei verloren, so wurde diese Ansicht durchaus nicht von ihm geteilt. Seine Fenster blieben nun heil. Es entstand keine Feuersbrunst. Zwar würde nie Miete eingehen, selbst dann nicht, wenn die Mieter Geld hatten, was zuweilen der Fall war. Dafür aber würde es nie dazu kommen, daß sie ihr Geld woanders hintrügen als in Chongs Kramladen! Da hatte er sich fünf leistungsfähige Kunden gut eingewickelt. Mehr noch! Wenn wieder einmal ein Trunkenbold im Laden Händel anfangen oder die New-Monterey-Clique zum Plündern ausschwärmen sollte, brauchte er nur zu rufen, und seine neuen Mieter würden zu seiner Hilfe herbeieilen. Und noch ein Band war geknüpft: Bei einem Wohltäter stiehlt man nicht! Was Lee Chong allein dadurch an Kondensmilch, Büchsenbohnen, Büchsentomaten und Wassermelonen ersparte, überstieg den Betrag der Miete bei weitem. Wenn statt dessen Kolonialwarenhandlungen in New Monterey plötzlich einen zunehmenden, unerklärlichen Abgang an ihren Beständen verzeichnen mußten, ging es Lee Chong nichts an.
Die fünf zogen ein und das Fischmehl aus, und keine sterbliche Seele wußte, wer dem Hause den Namen gab, unter dem es fürderhin weiterlebte: »Palace Hotel und Grillroom«. In den Röhren und unter der Zypresse war kein Platz für Möbel und Nippes gewesen, die nicht nur Merkmale, sondern auch Marksteine menschlicher Zivilisation sind. Im Palace Hotel war es anders. Die Jungens setzten sich in den Kopf, es fein auszustatten.
Ein Sessel erschien, ein Bett und ein Stuhl. Eine Eisenhandlung stiftete gern eine Büchse roter Farbe, denn sie erfuhr nie etwas davon, und als ein neuer Tisch und eine Fußbank eintrafen, wurden sie sogleich rot übermalt, was sich nicht nur hübsch ausnahm, sondern sie zugleich sachgemäß tarnte für den Fall, daß der

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