Die Rettung
1. Kapitel
Das Feuer flackerte im Rhythmus des leisen, monotonen Gesangs auf und fiel wieder in sich zusammen. Die Flammen züngelten gierig über die Kiefernholzscheite und warfen tanzende Schatten an die Wände der unterirdischen Höhle. Knorrige Wurzeln verliefen quer durch die jahrhundertealte Behausung, die sich die Feen mit den Baumgeistern teilten. Kerzen brannten zwischen diesen Wurzeln und auf einem niedrigen Holztisch, dessen Platte mit einer dicken Schicht Bienenwachs bedeckt war. Der süßliche Duft vermischte sich mit dem Geruch brennenden Holzes und feuchter Erde.
Der Elf Daghda - von jenen, die ihn einst verehrt hatten, An Daghda Mór genannt - räkelte sich nackt auf den seidenen Federkissen neben der Feuerstelle und döste vor sich hin, während Morrighan mit ihrem Zauber beschäftigt war. Doch allmählich wurde er des Wartens müde. Er richtete sich auf und stützte sich auf einen Ellbogen, um sie zu beobachten. Sie ließ sich absichtlich Zeit, das wusste er, sie nahm überhaupt keine Notiz von ihm, und er hasste es, nicht beachtet zu werden.
»Komm her«, sagte er. »Leg dich zu mir und vergiss den verwünschten Sterblichen.« Auffordernd streckte er ihr die Hand hin. Sein ball mór regte sich, als er den Blick über ihre schimmernde, vom Feuer rosig überhauchte Haut wandern ließ. In seinen Lenden begann es zu pochen. Es war schon viel zu lange her, seit sie sich ihm das letzte Mal hingegeben hatte, und sein Verlangen nach ihr wuchs ins nahezu Unerträgliche.
Morrighan gab keine Antwort. Sie schien seine Anwesenheit vollkommen vergessen zu haben, hob das Schwert über das Feuer und hielt es in den aufsteigenden Rauch. Dazu murmelte sie leise Beschwörungen in der Alten Sprache. Daghda konnte die Worte nicht verstehen, obwohl er so nahe neben ihr lag. Sie schloss ihn ganz bewusst von dem aus, was sie tat. Der Ärger trieb ihm das Blut in die Wangen, und er setzte sich in den Kissen auf.
Er wusste, dass seine Stimme nörglerisch klingen würde, deshalb hüstelte er leise, bevor er fragte: »Warum tust du das eigentlich? Falls du seine Mordlust wecken willst - er ist ein Mensch und wird als solcher ohnehin schon davon beherrscht. Oder fürchtest du ihn vielleicht? Denkst du, seine Macht könnte größer sein als die deine?« Er kannte sie besser, als sie ahnte, und zögerte nicht, sie an ihren empfindlichsten Stellen zu treffen.
Die letzte Bemerkung trug ihm einen giftigen Blick ein. Ein Lächeln spielte um seine Lippen, als ihr Gesang verstummte. Rauch wehte über die Klinge des alten Schwertes hinweg -eines abgenutzten schottischen Breitschwertes mit einem herzförmigen, aus durchbrochenem Stahl gefertigten Korbgriff.
»Er ist nichts als ein gewöhnlicher Sterblicher.« Sie schnaubte verächtlich, doch Daghda ahnte, dass mehr dahinter steckte. Eben dieser gewöhnliche Sterbliche schien eine Art unterschwelliger Begierde in ihr ausgelöst zu haben.
Eifersucht durchzuckte ihn, und er bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen. »Genau das meine ich ja, mo caraid.«
»Vielleicht interessiert es dich, dass er seinen Dolch Brigid getauft hat, nach deiner Tochter.«
Dies schürte Daghdas Ärger nur noch mehr. Ob dieser Ärger sich allerdings gegen den Sterblichen oder gegen Morrighan richtete, konnte der Elf nicht sagen, und es kümmerte ihn auch nicht weiter. »Alle meine Töchter und Söhne sind tot«, erwiderte er. »Er kann seinen Dolch nennen, wie es ihm beliebt. Außerdem hältst du, die Göttin des Krieges, ohnehin das Leben eines jeden Mannes in deinen Händen, von den Feiglingen einmal abgesehen, und die sind sowieso nicht von Bedeutung. Also lass ihn und komm zu mir.«
Daghda hütete sich, von seiner eigenen Macht zu sprechen, denn seine besten Tage lagen lange hinter ihm. Er musste schon damit zufrieden sein, dass er nicht alterte wie die Sterblichen, denn viel mehr konnte er dank seiner magischen Kräfte nicht mehr bewirken. Die Sidhe waren im Aussterben begriffen. Nur ein paar Feen und Elfe lebten noch verstreut auf den Inseln und verbargen sich vor der stetig wachsenden Zahl der Menschen und ihrer neuartigen Macht, Dinge zu erschaffen und zu vernichten.
Die gelegentlichen Liebesstunden mit Morrighan bildeten die einzige Freude in seinem leeren Leben, und ihr schwindendes Interesse an ihm, das sie deutlich erkennen ließ, nagte an seinem Stolz. Er hatte sie von dem Tag an begehrt, an dem sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Sie hatte mit gespreizten Beinen
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