Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
und hatte wachsame, stahlgraue Augen. Zur Begrüßung streckte er ihnen die Hand entgegen. Dabei fiel Phil ein breiter Goldring in Form einer Schlange auf, die jedoch Flügel besaß und ihn aus zwei kleinen, blitzenden Rubinen anstarrte. Der Kopf ähnelte mehr dem eines Drachen und von den Augen ging eine seltsame Energie aus, die Phil Unbehagen bereitete. Er war deshalb froh, als Herr Sanders seine beiden Besucher bat, Platz zu nehmen, worauf jeder von ihnen in einem der weichen Sessel versank, die um einen ovalen Couchtisch gruppiert waren.
Herr Sanders saß Phil gegenüber. „Ich habe die traurige Pflicht", begann er ohne Umschweife, „dir mitzuteilen, dass deine Eltern heute spurlos verschwunden sind. Den genauen Zeitpunkt kennen wir nicht. Die Polizei vermutet einen Fall von Entführung, allerdings gibt es bis jetzt keinerlei Anhaltspunkte. Zurzeit dauern die Untersuchungen in der Firma noch an. Wir alle hoffen, dass wir deine Eltern bald unversehrt wiederfinden, Phil."
Phil brauchte eine Weile, um die Worte zu begreifen. Ihm wurde schwindlig. Er spürte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich und sich gleichzeitig eine furchtbare Leere in seinem Kopf breitmachte. Wie durch einen dichten Nebel vernahm er erneut die Stimme von Herrn Sanders: „Geht's dir nicht gut, mein Junge?"
Phil klammerte sich an der Tischplatte fest.
„Natürlich nicht. Was für eine Frage!" Herr Sanders stemmte sich aus dem Sessel hoch und eilte zu der Schrankwand hinter seinem Schreibtisch. Wenig später stellte er Phil ein Kristallglas mit sprudelndem Mineralwasser hin.
Mechanisch nahm Phil das schwere Glas, doch seine Hand zitterte so heftig, dass er einen Teil des Wassers verschüttete.
Herr Sanders beugte sich zu ihm vor. „Ich weiß, dass es ein ziemlicher Schock für dich sein muss. Aber ich muss dich trotzdem fragen: Haben sich deine Eltern über irgendetwas Sorgen gemacht oder ist dir etwas Ungewöhnliches aufgefallen?"
Es gelang Phil, vorsichtig den Kopf zu schütteln. Er hatte einen Kloß im Hals, der ihm das Sprechen unmöglich machte.
„Ist dir bekannt, woran deine Eltern zuletzt gearbeitet haben?" Herr Sanders sprach leise, ohne den Blick von Phil zu wenden.
Phil schluckte ein paar Mal. „Sollte heute neues Spiel testen mit dem Amulett", murmelte er mit einer Stimme, die ihm selbst fremd vorkam.
Doch Herr Sanders hatte ihn offenbar verstanden. „Haben sie dir etwas über dieses Spiel erzählt? Hast du vielleicht eine Kopie davon gesehen?", fragte er eindringlich.
Wiederum schüttelte Phil den Kopf. Warum interessierte Herrn Sanders das? Für Phil war das Spiel vollkommen unwichtig geworden, er wollte nur seine Eltern wiederhaben.
Herr Sanders schien seine Gedanken zu erraten. Er sah zu dem Polizisten hinüber und nickte kurz. Daraufhin stand dieser auf und auch Herr Sanders erhob sich.
„Man wird dich jetzt nach Hause bringen, Phil. Wenn du Hilfe brauchst oder dir etwas Wichtiges einfällt – hier hast du sämtliche Nummern und Adressen, unter denen du mich erreichst. Du kannst mich jederzeit anrufen." Bei diesen Worten reichte Herr Sanders Phil eine Visitenkarte. Der steckte sie in die Hosentasche und ließ sich von dem Polizisten hinausführen.
In dem engen Flur zwischen den stählernen Schiebetüren drückte der Mann auf einen Knopf neben einer dritten Metalltür, die Phil erst jetzt bemerkte. Lautlos glitt sie zur Seite, dahinter wartete ein Aufzug. Phil war froh, dass ihm die Treppen erspart blieben. Er fühlte sich schwach, seine Knie zitterten.
Kurze Zeit später saß er neben dem Polizisten in einem dunkelblauen VW. Während der Fahrt sprach niemand ein Wort.
Vor dem Haus der Martens stiegen sie aus. Als Phil sich verabschieden wollte, hielt ihn der Polizist fest. „Hör zu, ähm, ich bin für deine Sicherheit zuständig. Das heißt, dass ich ab jetzt Tag und Nacht jeden deiner Schritte überwachen werde. Du weißt, was das bedeutet?" Ohne jede Regung wartete Phil auf die Erklärung. „Nun, ich werde bei dir wohnen müssen."
Ehe er etwas erwidern konnte, fuchtelte der Polizist mit einem Blatt Papier vor seinem Gesicht herum. Phil versuchte, den Text zu lesen, aber das Einzige, was er wirklich wahrnahm, war das Wort PERSONENSCHUTZ über einigen kleingedruckten Zeilen sowie die krakelige Unterschrift des Einsatzleiters der SOKO Marten.
Stirnrunzelnd sah Phil auf. „SOKO Marten?"
„Sonderkommission Marten", sagte der Polizist und faltete das Blatt wieder zusammen.
Ein Flaues Gefühl
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