Die Suche nach dem Drachenring (German Edition)
dunkelbraunen Abdruck des Bügeleisens.
Lu bewohnte ein kleines Zimmer gleich neben dem Eingang und gehörte praktisch zur Familie. Er kümmerte sich um alles, und Phils Eltern hatten mehr Zeit, sich ihrer Lieblingsbeschäftigung zu widmen – dem Programmieren. Anna und Thomas Marten beherrschten alle Arten von Programmiersprachen. Das machte das Leben im Haus nicht immer einfacher, aber zweifellos aufregend.
Die Dusche mit automatischer Temperatureinstellung, unter der Phil momentan stand, wollte zum Beispiel partout nicht einsehen, dass er nicht daran dachte, kalt zu duschen, obwohl es doch „ungemein den Kreislauf belebt und die Abwehrkräfte steigert", wie ihm eine zischelnde Stimme mehrmals versicherte.
Der Kleiderschrank gab es irgendwann auf, Phil das dunkelgrüne T-Shirt zur blauen Jeans auszureden. Immerhin verriet er, in welcher Schublade sich Phils Lieblingssocken befanden.
Auch der mannshohe Spiegel in der Diele regte sich über Phils T-Shirt auf, das seiner Meinung nach viel zu weit war und in die Hose gesteckt gehörte. Mit der Frisur war er ebenfalls unzufrieden. „Wie kannst du nur so liederlich herumlaufen? Wenigstens kämmen solltest du dich", nörgelte der Spiegel.
Phil fuhr sich mit beiden Händen durch das dichte, schwarze Haar. Für ihn war die Sache damit erledigt.
Phil war für einen Dreizehnjährigen auffallend groß und muskulös. Er hatte ein schmales Gesicht und leuchtende, graublaue Augen. Viele Mädchen in der Schule schwärmten heimlich für ihn, aber Phil kümmerte sich nicht darum. Das einzige Mädchen, das ihm gefiel, hieß Elisa May und ging nicht auf seine Schule. Er kannte sie nur aus dem Fernsehen, wo sie an jedem Freitagnachmittag eine Musiksendung für junge Leute moderierte. Elisa war wortgewandt und witzig. Wenn sie lachte, blitzten hinter ihren vollen Lippen makellose, weiße Zähne und ihre Augen, deren Farbe an das helle Grün von klarem Meerwasser erinnerte, strahlten.
Nur selten verpasste Phil ihre Sendung, doch an diesem Freitag hatte er etwas Wichtigeres vor. Er wollte seine Eltern in der Firma besuchen, genaugenommen musste er dort arbeiten. Phil hatte einen Schülerjob bei Sanders' Playworld , einem Hersteller von Computerspielen. Seine Eltern waren dort für die Programmierung neuer Spiele verantwortlich. Meistens schrieben sie das Drehbuch für die Handlung selbst. Grafiker, Designer und 3D-Animatoren halfen ihnen bei der Umsetzung ihrer Ideen. Waren die Bewegungsabläufe zu kompliziert, wurden Schauspieler eingesetzt. Phil hatte einmal zugesehen, wie ein Mann in einem Spezialanzug, der mit sogenannten Messpunkten ausgestattet war, fast eine Stunde lang an einem Reck turnen musste. Eine Kamera filmte ihn dabei und lieferte die Daten an einen Computer. Hinterher schaute Phil zu, wie die Bewegungen des Schauspielers in die eines Affen übersetzt wurden, der sich von Baum zu Baum hangelte.
Er durfte – abgesehen von den engsten Mitarbeitern seiner Eltern – jedes Spiel als Erster austesten und bewerten. Viele beneideten ihn darum, und das nicht nur, weil Phil die begehrten Computerspiele besaß, lange bevor man sie kaufen konnte. Es hatte sich herumgesprochen, dass der Inhaber von Sanders' Playworld – Alfred Sanders – alle, die für ihn arbeiteten, großzügig bezahlte.
Über das neue Spiel hatten Phils Eltern wie üblich kaum etwas verraten. Sie hatten sogar auf jede Hilfe verzichtet, ihre Mitarbeiter bereiteten ein anderes Spiel vor. Es war nur bekannt, dass sie einen Minisender entwickelt hatten, der es möglich machte, die Spielfiguren durch Zurufen oder – mit etwas Übung – durch Gedankenübertragung zu steuern. Diesen Minisender wollten sie in ein hübsches Amulett einbauen lassen.
Phil hatte sich einen goldenen Drachen gewünscht. Seine Eltern wollten sehen, was sich machen ließ. Schließlich hatte Phil bald Geburtstag.
Außerdem sollte es noch eine Überraschung geben, „die dich vom Hocker haut", wie sein Vater ihm versprochen hatte. Dabei hatten sich seine Eltern geheimnisvoll zugezwinkert.
Im Bus zum Firmengelände klopfte Phil die verräterischen Mehlspuren von seinem T-Shirt. Herr Bertoli hatte ihn mit einem kräftigen Schulterklopfen begrüßt. Sein mit Mehl bestäubter Schnauzbart hatte gezittert, als er Phil fragte: „Mamas Experimente in der Küche treffen wohl wieder einmal nicht deinen Geschmack?" Phil war nach der Eröffnung der Pizzeria der erste Gast gewesen. Seitdem hatte ihn der rundliche Herr Bertoli ins Herz
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