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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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letzten Satz nachdachte, der für sie eigenartig geklungen haben mußte?
    Nein, entschied er, tat sie nicht. Der letzte Satz war an ihr vermutlich ebenso vorbeigerauscht, wie auch sonst alles, was mit anderen Menschen zu tun hatte, von ihr herausgefiltert wurde.
    Er fand einen Radiosender, stellte die Musik auf dröhnende Lautstärke. Mit Musik konnte er sich betäuben, so sicher wie andere mit Alkohol. Es kam nicht darauf an, was er hörte. Es mußte nur laut genug sein.
    Gegen achtzehn Uhr erreichte er den Rastplatz, von dem aus er Laura anrufen wollte. Wenn sie zusammen nach Südfrankreich fuhren, hielten sie stets an dieser Stelle an, stiegen aus und genossen den Blick auf die Bucht von Cassis mit ihren sie halbmondförmig umfassenden, sanft ansteigenden Weinbergen und auf die oberhalb der Bucht steil aufragenden Felsen. Fuhr er allein - zu dem alljährlichen Segeltörn mit Christopher -, dann rief er Laura von diesem Platz aus an. Dies gehörte zu
den stillschweigenden Übereinkünften zwischen ihnen, von denen es viele gab. Laura liebte Rituale, liebte unverrückbar wiederkehrende Momente zwischen ihnen. Er selber hing nicht so daran, hatte aber auch nicht den Eindruck, daß ihre Vorliebe dafür ihn wirklich störte.
    Er fuhr die langgezogene, ansteigende Kurve zum Parkplatz hinauf. Der Ort hatte keinerlei Ähnlichkeit mit den sonst üblichen Autobahnraststätten. Eher handelte es sich um einen Ausflugsplatz, um eine Art große Picknickterrasse mit steinernen Sitzgruppen, kiesbestreuten Wegen, schattenspendenden Bäumen. Der Blick war atemberaubend. Für gewöhnlich überwältigten ihn das Blau des Himmels und das Blau des Meeres. Heute jedoch würden sich die Wolken nicht mehr lichten. Grau und diesig hing der Himmel über dem Meer. Die Stille war schwül und bleiern. Die Luft roch nach Regen.
    Ein trostloser Tag, dachte er, als er das Auto parkte und den Motor abschaltete.
    Unweit von ihm saß ein anderer einsamer Mann in einem weißen Renault und starrte vor sich hin. Ein älteres Ehepaar hatte an einem der sechseckigen Tische Platz genommen und eine Thermosflasche vor sich hingestellt, aus der sie nun beide abwechselnd tranken. Aus einem Kleinbus quoll eine Familie, Eltern, dazu offensichtlich die Großeltern und eine unüberschaubare Schar von Kindern jeder Altersgruppe. Die Größeren trugen Pizzakartons, die Erwachsenen schleppten Körbe mit Wein- und Saftflaschen.
    Wie idyllisch, dachte er, ein warmer Oktoberabend, und sie machen ein Picknick an einem wunderbaren Aussichtsort. Zwei Stunden können sie hier noch sitzen, dann wird es dunkel und kalt. Sie werden wieder alle in diesem Bus verschwinden und nach Hause fahren und satt und glücklich in ihre Betten fallen.
    Er selber hatte eigentlich nie Kinder gewollt - sowohl sein Sohn aus erster Ehe als auch die zweijährige Tochter, die er
mit Laura hatte, waren aus Unachtsamkeit entstanden -, aber manchmal überlegte er, wie es sich anfühlen mußte, Teil einer großen Familie zu sein. Er sah das keineswegs verklärt: Es bedeutete, ewig vor dem Badezimmer anstehen zu müssen und wichtige Dinge nicht zu finden, weil ein anderer sie ungefragt ausgeliehen hatte, es bedeutete jede Menge Lärm, Unordnung, Dreck und Chaos. Aber es mochte auch Wärme entstehen, ein Gefühl der Geborgenheit und Stärke. Es gab wenig Platz für Einsamkeit und die Angst vor der Sinnlosigkeit.
    Zum zweitenmal tippte er eine Nummer in sein Handy. Er mußte nicht lange warten, sie meldete sich sofort. Offensichtlich hatte sie um diese Zeit mit seinem Anruf gerechnet und sich in der Nähe des Telefons aufgehalten.
    »Hallo!« Sie klang fröhlich. »Du bist auf dem Pas d’Ouilliers!«
    »Richtig!« Er bemühte sich, ihren heiteren, unbeschwerten Ton zu übernehmen. »Zu meinen Füßen liegt das Mittelmeer.«
    »Glitzernd im Abendsonnenschein?«
    »Eher nicht. Es ist sehr wolkig. Ich denke, es wird noch regnen heute abend.«
    »Oh - das kann sich aber schnell ändern.«
    »Natürlich. Da mache ich mir keine Sorgen. Sonne und Wind wären für Christopher und mich jedenfalls am schönsten.«
    Sie war wesentlich feinfühliger als seine Mutter. Sie merkte, wie angestrengt er war.
    »Was ist los? Du klingst merkwürdig.«
    »Ich bin müde. Neun Stunden Autofahrt sind keine Kleinigkeit.«
    »Du mußt dich jetzt unbedingt ausruhen. Triffst du Christopher noch heute abend?«
    »Nein. Ich will früh ins Bett.«
    »Grüße unser Häuschen!«
    »Klar. Es wird sehr leer sein ohne dich.«

    »Das

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