Stoppt das Euro-Desaster!
Das große Monopol dieses Landes ist das Finanzmonopol. So lange, wie es existiert, ist es unmöglich, unsere frühere Vielfalt und Freiheit der persönlichen Entwicklung wiederzuerlangen. (…) Das Wachstum der Nation und alle unsere wirtschaftlichen Aktivitäten sind (…) in den Händen einiger weniger Männer, die sich, selbst wenn sie ehrlich und am Gemeinwohl interessiert sind, auf die Unternehmungen konzentrieren werden, in denen ihr eigenes Geld angelegt ist. Damit zerstören sie unweigerlich echte wirtschaftliche Freiheit.
Woodrow Wilson, 1911
Der schädliche Einfluss der Finanzoligarchie
Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 wurde in den USA mit der gesetzlich vorgeschriebenen Trennung von Investmentbanken und Geschäftsbanken sichergestellt, dass nicht mehr mit dem Geld der Sparer spekuliert werden konnte. Zum Zocken einladende Finanzprodukte, zum Beispiel Derivate, [15] wurden verboten und der internationale Zahlungsverkehr durch das Bretton-Woods-System reguliert. Es wurden Brandbeschleuniger entfernt und Brandschutzmauern eingefügt. Damit tat man genau das, was Jahrzehnte später der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Oktober 2008 in einer zornigen Rede forderte [16] – leider ohne große Wirkung.
Bereits 1911 erregte sich Woodrow Wilson, damals noch Gouverneur von New Jersey, darüber, dass eine kleine Anzahl von Männern das amerikanische Finanzsystem gekapert hatte und die wirtschaftlichen Geschicke des Landes zu ihrem eigenen Nutzen kontrollierte. Heute, genau einhundert Jahre später, ist es wieder so weit. Abermals hat sich die Finanzoligarchie im System eingenistet, produziert leistungsfreie Einkommen für Spekulanten und deren Helfershelfer und schädigt die Realwirtschaft. Regierungen erliegen dem Diktat der Finanzmärkte, denen Spitzenpolitiker einen geradezu abgöttischen Respekt zollen. »Nur nicht die Finanzmärkte beunruhigen« gehört zu den Formulierungen, die auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gerne auf den Lippen führt. [17]
Aber »die Finanzmärkte« sind nichts anderes als wirtschaftliche, rechtliche und politische Strukturen, die von Menschen geschaffen wurden. Sie sind das Ergebnis der Art und Weise, wie wir alle Politik und Wirtschaft betreiben, nicht deren schicksalhafte Grundlage . Die Finanzkrise war kein »Unfall«. Sie wurde, wie viele andere Krisen in der Geschichte, von Menschen und ihren Handlungen verursacht. Sie war das Symptom eines Systemversagens, bei dem alle beteiligten Akteure – Investmentbanken, Geschäftsbanken, private Schuldner, Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfer und Politiker – mitgespielt haben. Hätte sich nur eine dieser Gruppen dem organisierten Wahnsinn etwa am amerikanischen Häusermarkt oder bei verbrieften und strukturierten Produkten entzogen, wäre es wohl nicht zu diesem Desaster gekommen. Aber alle haben mitgemacht.
Auch die Euro-Krise war aufgrund der von Menschen geschaffenen Fehlkonstruktion der europäischen Währung in ihrer heutigen Form vorhersehbar. Ich habe sie bereits 1998 in einem Vortrag an der Boston University vorausgesehen, als es den Euro noch gar nicht gab. [18]
Das Finanzkapital dient heute nicht mehr der Realwirtschaft, wie Hannes Rehm, Chef des SoFFin und langjähriger Vorstandsvorsitzender der NordLB, es noch 2008 forderte, sondern hat sich zum Herrscher über Realwirtschaft und Politik aufgeschwungen. [19] Mit der Folge, dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den Industrienationen auseinanderdriften, die Alters- und Krankenversicherungssysteme erodieren, öffentliche Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur ausbleiben und öffentliche Güter wie Infrastruktur und Wissenschaft zunehmend in Privateigentum überführt werden. Es führt auch dazu, dass blühende Industrieunternehmen von renditesüchtigen Finanzinvestoren ausgesaugt und dann weggeworfen werden.
Ich könnte unzählige Belege dafür liefern, wie die Finanzoligarchie unser Gemeinwesen schädigt; wie sie unsere Leistungsgesellschaft und unsere Demokratie untergräbt und gesetzliche Regeln zu ihren Gunsten verändert. Schauen wir drei Beispiele an: die sogenannten Private-Equity-Gesellschaften, die Eigenkapitalregeln für die Finanzbranche und die Besteuerung von Kapitaleinkünften.
Ich habe einen Cousin – nennen wir ihn Frank –, der als Produktionsleiter bei einem von einer Private-Equity-Gesellschaft beherrschten Automobilzulieferer arbeitet. Im Zuge der Finanzkrise brachen die Umsätze in
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